Diva (DE)
Nagel, Alan Hale, Cheeta, dem Schimpansen, und Bill Demarest .
Miss Kathies Trauerschleier fällt vor ihr Gesicht, und sie trinkt durch das schwarze Gewebe, hält eine Flasche nach der anderen an ihre Lippen und schluckt, und jedes Mal bleibt eine neue Schicht Lippenstift auf dem schimmernden Hals der Flasche zurück. Jeder Flaschenmund rot wie der ihre.
Sydney Greenstreet , auch er ist nicht zu der heutigen Beerdigung erschienen. Greta Garbo hat kein Kondolenzschreiben geschickt.
Was Walter Winchell »Leichen versetzen« nennen würde.
Hier sind wir mal wieder, nur Miss Katherine und ich.
Meine Miss Kathie wischt den schwarzen Reis von Mäusekot beiseite – auf diesem seltsamen Hochzeitsfoto-Negativ –, nimmt den silbernen Bilderrahmen und stellt ihn aufrecht in die Nische, lehnt ihn an die Wand. In dem Rahmen ist kein Bild, sondern ein Spiegel. In dem Spiegel, im Spiegelbild der Wände und Spinnweben, posiert Miss Kathie in ihrem schwarzen Schleierhut. Sie fasst die Fingerspitzen eines Handschuhs und zieht ihn von ihrer Linken. Schraubt den Diamanten von ihrem Ringfinger und reicht mir den sechskarätigen Harry Winston im Marquiseschliff. Miss Kathie sagt: »Ich finde, wir sollten das festhalten.«
Der Spiegel, bedeckt mit alten Kratzern und Narben. Das Glas von einer Vielfalt alter Schrammen entstellt.
Ich sage: Gehen Sie in Position, bitte.
»Bist du ganz sicher, dass du Cary Grant angerufen hast?«, sagt Miss Kathie, während sie mit einem Schritt nach hinten auf das verblichene X tritt, das vor langer Zeit mit Lippenstift auf den steinernen Fußboden gemalt wurde. Genau an dieser Stelle kommt ihr Filmstargesicht exakt mit den Kratzern im Spiegel zur Deckung. In diesem Winkel, in dieser Entfernung werden die alten Schrammen zu den Falten, die sie drei, vier, fünf Hunde zuvor hatte, zu den Runzeln und Furchen, in die ihre Haut sich gelegt hatte, bevor jede einzelne durch Straffen oder eine Injektion mit einem Serum aus Schafsembryos beseitigt worden war. Radikale Verfahren, die in einer verschwiegenen Schweizer Klinik durchgeführt wurden. Teure Cremes und Salben, Operationen zum Glätten der Haut. Auf dem Spiegel sind sie noch immer, die Narben und Leberflecke, die sie alle paar Monate entfernen ließ, dort sind sie eingegraben und dokumentieren, wie sie eigentlich aussehen sollte. Wieder hebt sie den Schleier, und im Spiegel kommen Wangen und Kinn mit den alten Tränensäcken und Muttermalen und Härchen zur Deckung, die meine Miss Kathie sich ehrlich erworben hat.
Die Kriegsverletzungen, die ihr Paco Esposito und Romeo , die streunenden Hunde und »Verflossenen« zugefügt haben.
Miss Kathie macht das Gesicht, das sie macht, wenn sie kein Gesicht macht, ihre Züge, ihre berühmten Lippen und Augen werden zu einem Theda-Bara -Negligé, das auf einem Polsterbügel, in Plastik gehüllt, ganz hinten im Dunkel des Fundus von Monogram Pictures hängt. Ihre Muskeln schlaff und entspannt. Das Publikum vergessen.
Und ich mache mich mit dem Diamanten an die Arbeit und ziehe alle neuen Falten nach, ergänze die Langzeitdokumentation um alle neuen Leberflecke. Mein Werk ist vollständiger als jedes Foto, ich halte Miss Kathies Elend fest, bevor die Schönheitschirurgen wieder einmal reinen Tisch machen. Ich schneide mit dem Diamanten ihre grauen Haare in das Glas. Ich aktualisiere die Topographie ihres geheimen Gesichts. Ich ritze ihr die neuesten Sorgenfalten in die Stirn. Ich grabe die neuen Krähenfüße um ihre Augen und lösche das falsche Lächeln ihrer öffentlichen Erscheinung, der Diamant verunstaltet Miss Kathie. Ich entstelle sie.
Nach einem Leben voller derartiger Misshandlung biegt sich der Spiegel, krümmt sich, so zerstückelt, so zerkratzt und tief verätzt, dass das Glas unter jedem neuen Druck zu einem Haufen schartiger Splitter und Scherben zusammenzufallen droht. Nicht zu fest aufzudrücken, auch das zählt zu meinen Pflichten. Meine Stellung brachte es mit sich, dass ich Pacos Pisse um die Toilette herum aufwischen und den Hund dann vom Tierarzt kastrieren lassen musste. Tag für Tag war ich gezwungen, ein Blatt aus irgendeinem Geschichtsbuch herauszureißen – die Hiawatha -Legende, von Arthur Miller als Drehbuch für Deborah Kerr geschrieben, oder die Lebensgeschichte des Robert Fulton als fragwürdige Staffage für Danny Kaye –, um die neueste dampfende Handvoll Kot aufzukehren.
Ich ziehe mit dem Diamanten gerade Striche, die Miss Kathies Tränen darstellen sollen,
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