Diva (DE)
Bühnenlicht, das aus den Soffitten stürzt. Ein harmloses Requisitenmesser könnte mit einem echten Dolch vertauscht worden sein, den irgendein ahnungsloser japanischer Soldat oder Allan Dwan nach ihr stößt. Während wir hier sitzen, könnte Webster Carlton Westward III in Miss Kathies Garderobe eine Bombe legen oder Giftgas einleiten. Unter solchen Umständen kann sie natürlich keinen anständigen pas de deux hinlegen.
Terry sagt: »Warum bleibst du bei ihr?« Er fragt mich: »Warum bist du so viele Jahre bei ihr geblieben?«
Weil, sage ich, das Leben von Katherine Kenton mein Werk ist. Mrs. Lord Byron, Mrs. Papst Innozenz VI. und Mrs. Kaiser von Hindenburg mögen die besten Werke von Miss Kathie sein, aber sie ist das meine. Ich schreibe weiter, kritzle vor mich hin und sage, Miss Kathie ist mein unvollendetes Meisterwerk, und ein Künstler gibt sein Werk nicht auf, nur weil es schwierig wird. Oder wenn das Kunstwerk sich mit unpassenden Männern einlässt. Meine Berufsbezeichnung ist nicht Kindermädchen oder Schutzengel, und doch erfülle ich die Aufgaben von beiden. Meine Vollzeitbeschäftigung ist das, was Walter Winchell »Starsitter« nennt. »Promipfleger«, wie Elsa Maxwell dazu sagt.
Ich ziehe die neueste Fassung von Websters scheußlichem Enthüllungsbuch hervor und reiche sie Terry auf der anderen Seite des Gangs.
Terry fragt aus seinem Sitz: »Warum hat der Strom in der Wanne sie nicht getötet?«
Miss Kathie hat seit Tagen kein Bad mehr genommen, sage ich.
Sie stinkt nach dem, was Louella Parsons »Aroma d’amore « nennen würde.
Terry greift rüber und nimmt mir die Blätter aus der ausgestreckten Hand. Er überfliegt die erste Seite und liest: »›Niemand hätte ahnen können, dass meine heißgeliebte Katherine sich am Ende dieses Tages jeden einzelnen Knochen in ihrem verführerischen Körper brechen und ihr glamouröses Hollywood-Blut über halb Midtown Manhattan verspritzen würde …‹«
2. AKT, ACHTE SZENE
Die Stimme von Terrence Terry liest als akustische Überleitung aus der vorigen Szene weiter vor: »›… meine heißgeliebte Katherine sich am Ende dieses Tages jeden einzelnen Knochen in ihrem verführerischen Körper brechen und ihr glamouröses Hollywood-Blut über halb Midtown Manhattan verspritzen würde …‹«, während wir wieder einmal zu einer Traumsequenz überblenden. Geschmeidig und idealisiert treiben es Webster und Miss Kathie auf der Aussichtsterrasse im sechsundachtzigsten Stock des Empire State Building .
Terry liest im Off: »›Zur Feier unseres sechsmonatigen Zusammenseins hatte ich den höchstgelegenen Horst auf der sagenumwobenen Insel Manhattan gemietet …‹« Er liest vor: »›Dort arrangierte ich ein romantisches Dinner für zwei, das von Perino dreitausend Meilen weit herbeigeschafft wurde.‹«
Zum Szenenbild gehört ein Tisch, gedeckt für zwei Personen, drapiert mit einer weißen Tischdecke, auf der sich Stielgläser aus Kristall, Silberbesteck und Porzellangeschirr drängen. Julian Eltinge klimpert auf den Elfenbeintasten eines Flügels, der für diesen Abend mit einer Winde heraufgeschafft wurde. Judy Holliday singt, begleitet von der Royal Ballet Sinfonia und Myrna Loy , ausgewählte Lieder von Marc Blitzstein und Marc Connelly . In allen Himmelsrichtungen funkeln die Lichter der Türme von New York City .
Die Stimme von Terrence Terry liest: »›Nur die Crème de la crème von Kellnern und Unterhaltungskünstlern war anwesend, sie alle mit blickdichten Augenbinden versehen wie in Erich von Stroheim s Meisterwerk Der Hochzeitsmarsch , damit Katherine und ich nicht in Verlegenheit gerieten, wenn wir in fleischlicher Lust übereinander herfielen.‹«
Um zu verdeutlichen, dass dies ihre zigste Sexszene ist, lassen wir die beiden gertenschlanken und weichgezeichneten Liebenden mechanisch wie zwei Roboter kopulieren. Sie sehen einander dabei nicht an. Die Augen himmelwärts verdreht, die Zungen aus den Mundwinkeln hängend, keuchen sie wie die Tiere, wechseln wortlos die Stellung, und das feuchte Klatschen ihrer kollidierenden Genitalien droht die Darbietung der Musiker zu übertönen.
»›Wir liebten uns unter Milliarden Sternen und über einem Meer aus zehn Millionen elektrischen Lichtern. Zwischen Himmel und Erde gossen Kellner mit verbundenen Augen direkt aus der Flasche Moët in unsere gierig schlürfenden Münder und besprengten Katherines appetitlichen Busen mit dem perlenden Champagner, während ich unentwegt ihre
Weitere Kostenlose Bücher