Diva (DE)
geworden bin, buchstäblich alles, was ich erreicht und erworben habe, schulde ich einzig und allein Hazie Coogan …‹«
Während die hässliche Frau immer älter wird, sehen wir ihr hübsches Gegenstück strahlend lächeln in einem Kreis von Reportern, die ihr Radiomikrofone hinhalten und sie mit einem Blitzlichtgewitter überschütten. Die Hässliche steht immer außerhalb des Rampenlichts, außerhalb der Kameras, in den Kulissen am Bühnenrand, im Schatten, und hält den Pelzmantel der Hübschen.
Miss Kathies Stimme liest weiter aus dem Manuskript von Das Idol vor: »›Wir teilten Torturen und Tränen. Wir teilten Sorgen und selige Freuden. Wir lebten zusammen, trugen gemeinsam dieselben Lasten und hielten einander jung …‹«
In der Montage erscheint eine Schar von Bewunderern, darunter Calvin Coolidge, Joseph Pulitzer, Joan Blondell, Kurt Kreuger, Rudolph Valentino und F.Scott Fitzgerald ; sie alle sehen zu, wie die Hässliche der Schönen eine Geburtstagstorte darreicht. In diesem Moment schneiden wir auf die Hässliche, wie sie, offenbar ein Jahr später, eine andere Torte präsentiert. Mit einem dritten raschen Schnitt wird eine weitere Torte übergeben, und Lillian Gish, John Ford und Clark Gable applaudieren und singen dazu. Mit jeder dieser Torten sieht die Hässliche ein wenig älter aus. Die Schöne nicht. Auf jeder Torte stehen fünfundzwanzig brennende Kerzen.
Es wird weiter vorgelesen: »›Ihre Stellung war nicht die einer Sekretärin oder Schauspiellehrerin, und doch hat Hazie Coogan ihren Anteil an meinen großartigsten Leistungen. Sie war keine geistige Führerin, kein Swami, dafür aber die beste und zuverlässigste Ratgeberin, der Mensch, den ich von allen am höchsten schätze.‹« Meine Miss Kathie hebt die Stimme und sagt: »›Sollte die Nachwelt an meinen Filmen weiterhin Gefallen finden, so ist es die heilige Pflicht der Menschheit, auch Hazie Coogan in Ehren zu halten, die großartigste, begabteste Freundin, die eine schlichte Schauspielerin sich nur wünschen kann.‹«
Als dies gesagt wird, holt die Schöne tief Luft. Um sie herum schweben die strahlenden Antlitze von Prominenten, sie alle vom Flackerlicht der Geburtstagstorte beschienen. Sie beugt sich vor und pustet die Geburtstagskerzen aus, und die festliche Szene versinkt augenblicklich in absoluter Schwärze. Alles ist still und leer.
In diese Finsternis hinein spricht Miss Kathies Stimme: »›Ende.‹«
3. AKT, SIEBTE SZENE
Mein Lebenswerk ist abgeschlossen.
Ein letztes Mal beginnen wir mit der Krypta unter der Kathedrale. Soeben erscheint dort die verschleierte Gestalt einer Frau und stellt eine weitere Urne in die Nische zu den Urnen von Terrence Terry, Oliver »Red« Drake, Esq. , und Loverboy . Dann hebt sie den schwarzen Schleier, und wir erkennen ihr Gesicht.
Diese Frau in Trauerkleidung bin ich selbst, Hazie Coogan . Ohne Begleitung.
Miss Kathie hat mir gehört. Ich habe sie erfunden, immer und immer wieder. Ich habe sie gerettet.
Ich zünde eine Kerze an und entkorke eine Champagnerflasche, eine Magnum, die noch schäumt, die in Gesellschaft so vieler toter Soldaten noch vor Leben übersprudelt. Ich nehme ein staubiges, von Spinnweben trübes Glas und fülle es mit einem perlenden Toast.
Das ist Liebe. So ist Liebe. Ich habe die Frau gerettet, die sie in der Vergangenheit war, und die, die sie in Zukunft sein wird. Katherine Kenton wird nie als alte Frau an Demenz erkranken und auf der Armenstation eines Lehrkrankenhauses landen. Kein Boulevardblatt und keine Filmzeitschrift wird jemals haarsträubende Fotos von ihr bringen, wie jene, mit denen Joan Crawford und Bette Davis gedemütigt wurden. Nie wird sie in den tobenden Wahnsinn von Vivien Leigh oder Gene Tierney oder Rita Hayworth oder Frances Farmer verfallen. Sie hat ein barmherziges Ende gefunden, kein langsames Versinken in Medikamenten, kein chaotisches Finale wie bei Judy Garland , die sich allen möglichen jüngeren Männern in die Arme warf, um schließlich tot auf einer mobilen Toilette aufgefunden zu werden.
Sie sollte nicht langsam und qualvoll sterben oder traurig dahinwelken. Nein, die Legende Katherine Kenton verlangte nach einem epischen, romantischen Finale Grande. Mit Glanz und Gloria und Pracht und Pathos. Damit sie niemals in Vergessenheit geriet. Dazu habe ich ihr verholfen.
Ein dramatischer Abgang – nach einem entsprechenden dritten Akt.
Ich hebe mein Glas und sage: »Gesundheit.« Ich trinke auf sie und schenke
Weitere Kostenlose Bücher