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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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Moment darauf zu konzentrieren, wie es einmal ausgesehen hatte, und trug dann die Flasche ins Wohnzimmer. Sie nahm zwei langstielige Gläser aus dem Schrank und setzte diese neben den Suppentassen ab.
    Egon reagierte immer noch nicht. Also hob Henriette den Deckel von der Suppenschüssel und wartete, bis der Duft nach Brühe das Zimmer erfüllte. Mit der Suppenkelle tauchte sie in die Flüssigkeit und sagte dann schmeichelnd: „Sieh doch, Liebling, was ich dir gemacht habe.“
    Egon brummte etwas Unverständliches. Also nahm Henriette seine Suppentasse und ließ einen guten Löffel der Brühe hinein gleiten. Obenauf schwammen zwei weiche Grießklößchen und Henriette bewunderte für einen Augenblick deren Lockerheit, die ihr trotz der vielleicht ungewohnt erscheinenden Form, doch bemerkenswert gut gelungen war.
    Egon rümpfte die Nase. „Was ist das denn?“, bequemte er sich dann ungehalten von sich zu geben, ohne sich jedoch aufzurichten.
    „Ich habe dir deine Lieblingssuppe gemacht“, zwang Henriette sich, so charmant es ihr möglich war, zu antworten. „Wie du sie gerne hast. Wie deine Mutter sie gemacht hat.“
    Egon blinzelte und sah endlich zu ihr auf, schüttelte dann entschieden den Kopf. „Nein“, murrte er dann.
    „Das riecht komisch. So kenn ich die Suppe nicht.“
    Henriette schloss die Augen und atmete tief durch. „Ich habe mir viel Mühe damit gegeben“, sagte sie dann gepresst und deutete in Richtung Küche. „Es ist auch nur die Suppe. Danach kommen noch mehrere Gänge.“ Sie öffnete ihre Augen wieder und sah ihren Gatten an. „Es ist ein besonderer Tag heute“, sagte sie leise. „Schnupper doch mal, wie gut es duftet. Seit heute Vormittag stehe ich in der Küche und schufte. Warte erst, bis du den Braten siehst.“
    Egon verzog das Gesicht. „Ich will nicht einmal diese Suppe hier sehen“, murrte er und richtete sich dann ächzend auf, um einen Blick in die Schüssel zu werfen. „Was soll das denn sein?“, brachte er dann verächtlich vor. „Kannst du denn gar nichts richtig machen? Bei Mutti sah ein Nockerl aus wie das andere. Gleichmäßig und perfekt geformt. So schwer kann das doch wohl nicht sein.“
    Henriette presste ihre Lippen zusammen und schluckte, bevor sie weitersprach. „Probier doch erst einmal“, sagte sie leise. „Sie sind sehr leicht und locker.“
    „Blödsinn.“ Egon ließ sich mit einem Stöhnen wieder auf das Sofa zurücksinken und griff nach der Fernbedienung. „Das blöde Grünzeug hast du auch wieder reingematscht. Du weißt doch, wie ich das hasse.“
    „Vitamine tun dir gut“, versuchte Henriette zu erklären.
    „Ach was“, schimpfte Egon nun. „Die kannst du in der Pfeife rauchen. Ich brauch etwas Richtiges zwischen die Kiemen. Nicht deinen vornehmen Edelfraß. Was hast du überhaupt mit den Crackern angestellt. Und ich wette, du servierst mir als nächstes ein Gemüse und behauptest, dass ich davon satt werde.“
    Henriette nahm die Flasche und sein Glas, schenkte ihm mit zitternden Händen ein. „Liebling“, sagte sie dann. „Ich bitte dich. Es ist ein besonderer Tag für mich.“
    Sie setzte das Glas vor ihm ab und ergriff ihr eigenes. „Ich weiß nicht, ob man Rotwein zu Suppe trinken kann“, fuhr sie nervös fort, „aber es kann doch auch nicht schaden, sich einmal etwas Besonderes zu gönnen.“
    „Etwas Besonderes?“, lachte Egon. Und mit einem hässlichen Lachen, beugte er sich vor, ergriff sein Glas mit genügend Schwung, dass die Hälfte seines Inhaltes heraus schwappte, auf der Tischdecke, dem Teppich und sogar in ein paar Spritzern auf den Gardinen landete, hielt es einen Moment hoch, als wolle er Henriette zuprosten, bevor er damit ausholte und durch das Wohnzimmer warf in Richtung der Küchentür. Doch noch vor dieser fiel es auf den Boden und zerschellte. Der Rest des Weins hinterließ einen nassen Fleck, der sich farblich jedoch kaum von dem Ton des Teppichs abhob, wie Henriette mit Erleichterung feststellte.
    Überhaupt fühlte sie sich ruhiger, als sie in einer Situation wie dieser erwartet hätte. Ihr Atem ging langsam und gleichmäßig und in ihrem Kopf war es klarer, als zu jedem anderen Zeitpunkt des Tages. Die Aufregung war wie weggepustet, nun, da sie wusste, dass die Entscheidung gefallen war.
    Egon interessierte sich nicht die Bohnen für ihren gemeinsamen Tag. Er achtete weder ihre Mühe, noch kümmerten ihn Henriettes Gefühle.
    Sie seufzte leise. Es war ja auch nicht direkt eine Überraschung. Sie sah

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