Diverses - Geschichten
ungewollt wegfielen, dass sie nicht einmal annähernd in der Lage war, die Augen eines beliebigen Mannes, der sie zudem an sich nicht im Geringsten interessierte, auf sich zu fesseln. Und dieser Mangel an Interesse schmerzte von Jahr zu Jahr stärker.
Es half nichts, die Sache musste in Angriff genommen werden, und Hilde fühlte sich willens und in der Lage, diese auch in Angriff zu nehmen.
Natürlich verhielt sie sich nicht dumm oder gar selbstzerstörerisch. Die notwendigen Vitamine und Mineralstoffe lagen in Tablettenform bereit. Kalorienfreie Suppen und Diätsäfte sollten das ausgeklügelte Heilfasten begleiten.
Und als spirituelle Begleitung hatte Hilde sich die eine oder andere CD meditativer Gesänge angeschafft.
Auch wenn man alles andere außen vorließ, so handelte es sich bei der Fastendiät doch um eine ausgesprochen preisgünstige Form des Überlebens. Und das bedeutete, dass durchaus der eine oder andere Cent übrig blieb, mit dem sie sich Dinge leisten konnte, auf deren Anschaffung sie sonst nicht einmal annähernd käme.
Insgesamt lief es gut. Hilde wusste, dass ein großer Punkt für den Erfolg ihrer Unternehmung darin lag, sich Schwächen zu gönnen. Selbstverständlich ausschließlich kalorienfreie Schwächen.
Sie besuchte mit Stefan das Kino und war erleichtert, dass der ohrenbetäubende Lärm des Actionkrachers, den sie sich ausgesucht hatten, das Knurren ihres Magens übertönte.
Mit einer gleichgesinnten Freundin, die unter ähnlichen Frühlingsgefühlen wie Hilde selbst litt, ging sie joggen und ließ sich haarklein die Rezepte aufzählen, mit denen diese sich über die Runden half und die allesamt aus rein biologisch angebautem und ohne Garmethode zubereitetem, ungesalzenem, ungewürztem Gemüse bestand.
Hilde verkniff sich die abschätzigen Bemerkungen, die ihr durch den Kopf wanderten. Sie hielt sich ebenso mit den Geschichten, die ihrer eigenen Erfahrungswelt entstammten, zurück. Jeder musste, was Diäten anging, seine eigenen Erfahrungen machen, zu diesem Schluss war sie innerhalb der letzten Jahre eindeutig gelangt.
Eine Woche hielt Hilde bereits durch und strich voller Stolz über ihren abgeflachten Bauch. Es stimmte doch, dass Abnehmen das Selbstbewusstsein steigerte. Wenn nur nicht das unangenehme Grummeln im Magen gewesen wäre, das sie bereits in der Früh weckte und unweigerlich wach hielt, obwohl sie ohne weiteres noch Zeit für einen ausgedehnten Schlummer gefunden hätte.
Nichtsdestotrotz, eine Diät steigerte angeblich auch die Energie und so stand Hilde doch, trotz Wochenendes, trotz Erschöpfung in den Gliedern, kurz nach Sonnenaufgang auf und braute sich einen Kräutertee, von dem sie allerdings bereits wusste, dass er dem Magenknurren an sich kaum Einhalt gebieten konnte.
Dennoch trank sie ihn hastig, gönnte sich eine Extra-Dosis Süßstoff, obwohl sie tief innerlich fest davon überzeugt war, dass diese chemischen Mittelchen den Appetit auf Süßes unweigerlich anregten. Aber in diesem Moment zählte das nicht, war Hilde sich doch sicher, dass ihr Appetit auf Süßes ohnehin kaum noch zu steigern wäre. Oder auf Salziges, Saures, Würziges … im Grunde auf alles.
Stöhnend machte sie sich an den Frühjahrsputz und vermied es tunlichst, daran zu denken, dass der Samstagvormittag sich stets als perfekt geeignet für Wocheneinkäufe geeignet hatte.
Doch sich den unüberschaubaren Versuchungen auszusetzen, die in jedem Supermarkt, jedem Schaufenster, jeder frisch aufgebrühten Kaffeebohne, die ihren Duft auf die Straße verströmte, auszusetzen, gliche grober Fahrlässigkeit.
Also beschränkte Hilde sich darauf, Staub zu wischen, zu saugen, die Fenster zu putzen und sich den anderen Vergnügungen hinzugeben, für die das Wochenende Zeit bot.
Sie hatte vor, sich in einen Zustand der Erschöpfung zu arbeiten, in dem selbst der bloße Gedanke an Nahrungsaufnahme zu anstrengend sei, als dass sie in Versuchung käme, ihrer Diät abtrünnig zu werden.
Am späten Nachmittag war es Hilde tatsächlich gelungen, müde genug zu werden, um dem Wunsch nach Essen die Dringlichkeit und die bohrende Spitze zu nehmen.
Auf wackligen Füßen schwankte sie in ihr blitzsauberes und nach Zitrone duftendes Badezimmer und brachte gerade noch die Energie auf, sich eine Wanne einzulassen und auf einen geruhsamen Abend vor dem Fernseher zu freuen.
Eine Stunde später stieg sie, halbwegs erfrischt aus ihrer Wanne, stieg in ihre flauschigen Pantoffeln und wickelte sich in einen warmen
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