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DJ Westradio

DJ Westradio

Titel: DJ Westradio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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auf seinem Einfuhrzettel angegeben hatte, unterstellten sie ihm Schmuggel und verdonnerten ihn zu 200 DM Strafe. Glücklicherweise konnte er unsere Familie als Adressaten dieser schönen, aber verbotenen Hefte raushalten. Könnt Ihr Euch vorstellen, was das für ein DDR-Kind bedeutete: Mitanzuhören, wie der Messe- und Patenonkel erzählt, daß er 17 Micky-Maus-Hefte mitbringen wollte, die nun auf dem Schreibtisch irgendeines Stasi-Schergen vergammelten? Das einzige, was sie ihm nicht abgenommen hatten, war ein Playboy-Magazin, welches er in seiner Mantelinnentasche versteckt hatte. Aber was interessierten mich damals die nackigenFrauen im Playboy?! Ich wollte Donald-Duck-Geschichten lesen. Das waren und sind meine Hefte! Wenn irgend jemand in der Birthler-Behörde in einer Stasikiste einen Stapel Micky-Maus-Hefte findet, dann bitte bei mir melden. Das sind garantiert meine, ich bin immer noch interessiert.

Einschulung in die DDR
    Meinen ersten richtigen Kontakt mit der DDR hatte ich eigentlich erst mit meiner Einschulung im September 1978. Ich wurde sozusagen in die DDR eingeschult. Arthur Hoffmann, nach dem unsere Schule benannt wurde, war ein früherer kommunistischer Stadtverordneter gewesen, der während der Nazizeit aktiv im Leipziger Widerstand gearbeitet hatte und dafür Anfang 1945 hingerichtet worden war. (Nach 1990 benannte man die Schule in »3. Grundschule« um, weil Arthur Hoffmann als Kommunist ja kein Demokrat gewesen sei. Die Stadt besann sich außerdem ihres rechtskonservativen Oberbürgermeisters Carl Goerdeler, der auch im Widerstand tätig gewesen war, und setzte ihm am Neuen Rathaus ein Denkmal. So ganz unter uns: Goerdeler war auch nicht mehr Demokrat als Arthur Hoffmann gewesen.)
    Bei der Einschulungsfeier im Mehrzweckgebäude unserer 70er-Jahre-DDR-Neubaukasteneinheitsschule war ich übrigens der einzige ohne Ranzen. Ich kann mich daran noch so gut erinnern, weil mich natürlich viele fragten, wo denn mein Ranzen sei. Ich war jedoch ohne Sorge, denn ich wußte, daß er am Nachmittag im Auto von Onkel Friedel angeliefert werden würde, zusammen mit dem Geha-Füller extra für Linkshänder und der Doppelstockfedermappe. Westranzen gab es nicht viele an unserer Schule, und damals war es auch nicht wirklich wichtig, woher nun der Ranzen kam.Aber meiner sah natürlich irgendwie fetziger aus als die DDR-Modelle. Leider hatte er einen entscheidenden Nachteil: Im Gegensatz zu den robusten DDR-Ranzen war er nicht wasserdicht. Pech bei starkem Regen. Machte nichts, dafür war er aus dem Westen. Echt West! Trotzdem hat er irgendwie nicht sehr lange gehalten, und ich mußte einige Jahre später schließlich doch noch einen DDR-Ranzen aus stabilem Leder tragen. Da ging maximal eine Naht auf, und die konnte man einfach wieder zunähen. Bis zum beliebten Aktenkoffer als Jugendweihegeschenk (ich bekam natürlich einen von drüben) war es noch ein endlos langer Weg.
    Während die Eltern im Westen schon seit der Geburt überlegten, ob ihr Kind nun in eine »normale« Grundschule oder auf die Realschule oder lieber in die Walddorfschule oder besser gleich auf ein katholisches Eliteinternat kommen solle, wurde das den hiesigen Eltern von Staatsseite abgenommen. In der DDR gingen alle Schüler zunächst auf eine Polytechnische Oberschule (POS) – analog zur Realschule –, und die Klügsten der Klasse konnten später eine Erweiterte Oberschule (EOS) besuchen, was gleichzusetzen war mit dem Gymnasium. Daneben gab es noch ein paar Spezialschulen für besonders Begabte beziehungsweise für besonders Unbegabte. Auf die EOS wechselte man frühestens in der 9. Klasse. Bis dahin waren wir alle zusammen, die Klugen, die Dummen und die Mittelmäßigen. Mein Jahrgang aus dem Wohngebiet startete dreizügig, das heißt, es gab eine A-, eine B- und eine C-Klasse. Ich kam in die B. Die Buchstaben stellten natürlich keine Klassifizierung der Schüler dar, sie waren sozusagen die Hausnummern für unsere Klassen.
    Alle Kinder aus dem umliegenden Wohngebiet zwischen Bernhard-Göring-Straße, Altenburger Straße, Karl-Liebknecht-Straße und Alfred-Kästner-Straße gingen auf die »Arthur-Hoffmann-Schule«, auch einfach nur »die Hoffmann« genannt. Keiner wohnte weiter als zehn Minuten zu Fuß entfernt. Entsprechend bunt war die soziale Zusammensetzung. Die Eltern waren Arbeiter, Handwerksmeister, Sekretärinnen, SED-Betriebsparteisekretäre oder Verkäuferinnen.
    Im Herbst 1978 wurde ich nicht nur eingeschult, sondern im selben

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