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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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Knast anzurufen. Nicht dass ich große Hoffnung gehabt hatte, wirklich mit ihm sprechen zu dürfen. Und natürlich durfte ich es nicht. Sprechen mit ihm. Aber so konnte ich mich wenigstens der Illusion hingeben, irgendetwas getan zu haben. Dann rief ich bei Julians Vermieter an und ließ mir die Kontonummer geben. Mehr, als seine Miete zu übernehmen, konnte ich im Moment nicht tun.
    Und nun? Nun litt ich. Dieses Arschloch. Was sollte das? Hatte er sich von mir getrennt? Und warum?
    Und dann nebenbei auch noch ständig diese Ausquetscherei. Ob ich schon öfter Drogen genommen hatte und warum, um Gottes willen, ich es getan hatte? Und ob ich mir nicht einen anderen Freund suchen konnte? Und verdammt, ich wusste ja selbst nicht, ob ich überhaupt noch einen Freund hatte.
    Und ich hätte jeden Tag einfach nur schreien können. Schreien. Schreien. Schreien. Ich hatte an der Freiheit geleckt und saß nun wieder im goldenen Käfig, nein, in der goldenen Kuckucksuhr. Ticktackticktack. Karriere, Aufstieg, Bildung. Mehr. Mehr. Mehr.
    Und ich fragte mich echt, wie man das jetzt wieder ertragen sollte, nachdem man ein Mal, und wenn es auch nur zwei Tage gewesen waren, seinen Fuß ins Paradies gesetzt hatte.
    Aber irgendwann hörte sie dann endlich auf, diese endlose Fragerei. Und zum ersten Mal war ich wirklich froh, dass meine Eltern solche Workaholics waren. Und wenn sie dann doch mal zu Hause waren, dann herrschte Eiszeit. Auch gut. Ich hatte ohnehin viel zu viel damit zu tun, mit allem fertigzuwerden.
    Das Schlimmste war, dass Julian sich nicht meldete. Jeder Tag ein verlorener. Wie konnte man jemanden, den man gerade mal ein gutes halbes Jahr kannte, so vermissen? Wie konnte er so wichtig werden, dass man sich Tag für Tag vorkam, als sei man an einen Stundenzeiger gekreuzigt worden, der sich einfach nicht bewegen wollte? Ich ging wieder zur Schule, ich hatte ja auch nicht mal eine Woche gefehlt, zwang mich zum Kickboxen, trieb mich am Tegeler See herum, um ins Wasser zu starren und Julian herbeizuwünschen. Eine Finsternis war heraufgezogen in mir und ich torkelte durch meinen Alltag wie durch einen Albtraum. Nein, anders. Der Alltag war irgendwie nicht real und dahinter, ja, dahinter lag der eigentliche Albtraum, der so verdammt wirklich war.
    Drei Monate waren vergangen und Julian hatte sich noch immer nicht gemeldet. Ich konnte schon gar nicht mehr richtig denken aus Angst, dass irgendetwas Schreckliches passiert war. War es möglich, dass er etwas so Großes einfach klammheimlich beendet hatte, ohne mir das deutlich mitzuteilen? Vergiss mich. Vergiss mich. Nein, das ging nicht. Und verdammt, das musste er doch wissen, dass das nicht ging. Er wollte doch gar nicht, dass ich ihn vergaß. Oder doch?
    Und dann die Zeugenaussage vor Gericht. Dachten die ernsthaft, ich würde gegen meinen Freund aussagen? Ich versuchte, Julian so eine Art aufmunternden Blick zuzuwerfen, aber sein Blick streifte mich nur kurz, wie zufällig und den Rest der Verhandlung stierte er stur auf seine Fußspitzen.
    Danach hatte ich jede Hoffnung verloren.
    Ab und zu fing ich einen elterlichen Besorgnisblick auf, aber sie fragten nicht mehr nach. Außerdem – die Gefahr war ja gut verwahrt im Knast.
    »Wirst du bald sterben?«, fragte mich Theresa eines Tages.
    »Sterben? Ich? Wie kommst du denn darauf?« Verwundert sah ich meine kleine Schwester an.
    »Na, weil du immer so traurig bist«, sagte sie.
    Ich musste lächeln und nahm Theresa in die Arme. »Da mach dir mal keine Sorgen. Deine große Schwester ist zäh.«
    »Dann ist ja gut.« Sie lächelte und kramte ein Päckchen aus ihrer Hosentasche. »Da. Für dich. Damit du nicht mehr so traurig bist.«
    Ich sah hinein. Eine Schneekugel, in der eine Nixe auf einer Muschel saß. Und wenn man die Kugel schüttelte, dann gerieten Dutzende bunter Fische in Bewegung und glitten um die Figur herum, um nach einer Weile als bunter Haufen auf den Grund zu sinken.
    »Theresa …!« Mehr bekam ich gerade nicht raus. Ich drückte sie noch einmal fest. »Danke. Sie ist wunderschön.«
    Und dann, eines Tages, geschah das Unfassliche. Der Stundenzeiger fing wieder an, sich zu bewegen und zwar genau in dem Moment, als Pa eines Samstags einen Brief in Amtsgrau vor mich auf den Tisch legte.
    »Lebenszeichen aus dem Land der schwedischen Gardinen«, sagte er.
    »Ha. Ha. Ha«, sagte ich. »Was habe ich nur für einen witzigen Vater.«
    Ich griff mit zittrigen Fingern unter dem Neugierig-hinter-einem-stehen-Blick

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