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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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begeistert. Aber ich muss zugeben, dass mich das kalte Wasser sehr erfrischt hatte und folgte Murat in die Zelle.
    »Und jetzt musst du dir nur noch klarmachen, dass du das für Gott tust und damit du dann wirklich bereit bist für das Gebet, drehst du dich nach Mekka, hebst die Hände nach vorn geöffnet bis an die Ohren und sagst ›Allahu aqbar‹, Gott ist der Größte.«.
    »Ich tu das für Gott, na klar. Ich mache es, damit ich meine Ruhe vor dir habe«, brummte ich und dann sagte ich schließlich doch: »Allahu aqbar.«
    Und das Erstaunliche war, es ging mir total leicht von der Zunge. Dann verschränkte ich die Hände zwischen Brust und Nabel und legte die rechte Hand auf den linken Unterarm und Murat murmelte die ganze Zeit auf Arabisch Dinge, die ich nicht verstand. Ich ahmte seine Bewegungen nach und versuchte, mich zu konzentrieren. Murat verbeugte sich, legte die Hände auf die Kniescheiben. Ich tat das auch. Er warf sich auf die Knie und drückte Stirn, Nase und Handflächen auf den Boden, wobei er immer weiter sprach. Danach setzte Murat sich auf und legte die Hände auf die Knie und auch ich setzte mich auf. Zuletzt wandte er den Kopf einmal nach rechts und einmal nach links und dann stand er auf und grinste mich an. »Und?«, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern.
    Zuerst hatte ich mich dabei völlig lächerlich gefühlt, Murat alles nachzumachen, aber irgendwann war meine Außenkamera, die mich beobachtete und lächerlich gemacht hatte, ausgegangen und dann hatte ich losgelassen. Irgendwie spielte es plötzlich keine Rolle mehr, ob es lächerlich war, was ich gerade tat, und irgendwie war ich gar nicht mehr so richtig da. Doch, schon. Irgendwie war ich einerseits mehr da als sonst, aber gleichzeitig schwieg das immer unzufrieden-ängstliche Hintergrundrauschen Julian Engelmanns. Und das war äußerst angenehm. Auf Julian Engelmann konnte ich nämlich verdammt gut verzichten.
    Murat starrte mich immer noch an. »War es so schlimm?«
    Ich brauchte einen Moment, bis ich herausfand in die Wirklichkeit und endlich wieder mit all meinen Sinnen in der Zelle stand. Es war wie eine Bruchlandung auf Beton. Hart und kalt und grau und schmerzhaft. Wie gerne wäre ich sofort wieder an diesen zeitlosen, stillen Ort zurückgekrochen.
    Als ich mich wieder gefangen hatte, sagte ich: »Na ja … Nein. Eigentlich war es … es war interessant.«
    »So, so, interessant, hm?«, meinte Murat und zwinkerte mir zu. Mehr sagte er nicht und ich glaube, das war gut so.
    Natürlich warf ich mich nicht wie Murat fünf Mal täglich auf den Boden, aber jedes Mal, wenn mich die große Angst überkam, dass Romea mich ja doch verlassen würde, oder wenn ich dachte, dass meine Musik der totale Scheiß war oder dass ich nach meiner Entlassung sofort wieder Ice in die Hände fallen würde – wenn ich es nicht mehr aushielt, hier nur wenig Rechte zu haben, und mir klar wurde, dass ich Tag und Nacht überwacht wurde, dann machte ich Murat einfach alles nach, wenn er betete, und jedes Mal fand ich in diesen Raum zurück. Ich weiß nicht, wie ich ihn beschreiben soll, diesen Ort. Irgendwie war er vollkommen und ich war darin, und so, wie ich war, war es gut. Ich war nicht allein, ich … ich war zu Hause, war sicher, war wunschlos. Nichts, aber auch wirklich nichts, konnte mich dort umhauen. Und ja, Murat hatte recht, das, das war irgendwie noch besser als Koks. Es inspirierte mich. Und dann bekam ich einen Flow. Einen Textschreibe-Flow. Ganz neue Texte. Das war es. Diese Texte würden der Durchbruch für »Gangsta’s Ghost« sein. Die Jungs konnten sich freuen.
    Und auf einmal wollte ich mehr wissen, viel mehr. Über diesen Propheten und diese Religion. Es wunderte mich selbst. Vorher hatte mich Religion echt einen Dreck interessiert, aber allein das Gebet, das machte irgendwas mit mir. Eigentlich war das echt schräg, aber na ja – es half.
    Und Murat – er tat, was er konnte, und ich saugte all die neuen Begriffe ein, die in meinen Ohren einen solch umwerfenden Klang hatten, fast ersetzten sie mir die Musik. Djannah, Umma, Chadidscha, Takfir, Schahada. Ich legte mir sogar so eine Art Vokabelheft an.
    Irgendwann war ich so begeistert, dass ich Romea seitenlange Briefe über meine neuen Erfahrungen schrieb. Was zurückkam, war eher ernüchternd. So richtig schien sie meine Begeisterung nicht teilen zu können. Irgendwie war ich ein bisschen enttäuscht darüber. Aber egal, wenn ich erst wieder draußen wäre, dann könnte ich es

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