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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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ihr ja noch mal persönlich erzählen und wir könnten auch zusammen beten und dann würde auch sie meinen Enthusiasmus begreifen. Überhaupt, ich konnte es nicht mehr erwarten, endlich rauszukommen. Obwohl da draußen Ice und seine Jungs nur darauf warteten, mich platt zu machen, aber das war gerade so weit weg von meiner Existenz, denn ich war gerade so was von dabei, meinen Horizont zu erweitern. Und deshalb fragte ich Murat eines Tages: »Sag mal, kannst du eigentlich Arabisch?«
    Murat wurde rot. »Ähm … na ja, nee, Hocharabisch eigentlich nicht so wirklich«, antwortete er. »Aber Deutsch spreche ich fließend«, feixte er. »Und ich kann ein wenig Ägyptisch herumkauderwelschen. Aber eigentlich auch nicht. Warum?«
    »Hast du Bock, dass wir, wenn wir draußen sind, zusammen Arabisch lernen?«
    »Uff. Wozu das denn?«, fragte Murat mit höchst mäßigem Enthusiasmus.
    »Na, um vielleicht mal den Koran im Original zu lesen«, sagte ich.
    »Hm«, brummte Murat. »Aber es gibt doch auch Übersetzungen.«
    »Aber das ist doch nicht das Gleiche.«
    »Sag mal, was ist denn auf einmal mit dir los?« Murat richtete sich auf seinem Bett auf. »Erst sträubst du dich Monate vor dem Beten und jetzt willste den Koran im Original lesen? Werd doch am besten gleich Hafiz!«
    Ich sah ihn fragend an.
    Murat verdrehte die Augen. »Einer, der den Koran auswendig kann.«
    Aber ich hatte das echt vor. Arabisch lernen. Dabei hatte ich es eigentlich sonst nicht unbedingt mit Sprachen.
    Die Zeit schlich dahin. Tom hatte ich abgeschrieben, aber zum Glück sah ich Romea regelmäßig und das gab mir Kraft. Und die Gebete. Ich hätte ihr gern mehr davon erzählt, wenn sie mir an den Besuchstagen gegenübersaß, aber irgendwie fühlte ich mich nicht dazu in der Lage, wenn ständig ein Beamter hinter mir auf und ab lief. Aber bald würde ich ja hier raus sein. Meine Entlassung rückte näher und näher und es kam mir inzwischen fast irreal vor und deshalb begann ich, Striche ins Bettgestell zu ritzen. Ich hatte gedacht, dass es am Ende der Haft immer leichter würde, die letzten Wochen abzusitzen, aber irgendwie konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich jemals da draußen gelebt hatte. Wäre Romea nicht gewesen, die mich alle zwei Wochen besuchte, obwohl ihre Eltern scheinbar fast Amok liefen, hätte ich wahrscheinlich einfach nur Angst gehabt, mich da draußen wieder zurechtzufinden. Krass. Und das nach nur sechs Monaten. Aber so konnte ich es gar nicht mehr abwarten. Jede Nacht träumte ich von Romea. Immer heftiger. Mann, wenn die Zeit sich nicht ein wenig beeilte, würde ich noch platzen.

Was Julian anging, war ich so lange beruhigt, bis er anfing, mir diese Briefe zu schreiben. Der erste war noch harmlos. Er hätte gebetet, hatte er geschrieben. Julian und beten? Das konnte ich mir definitiv nicht vorstellen. Was, bitte schön, hatten die ihm angetan im Knast, dass er freiwillig betete? Normalerweise fingen die Leute doch immer erst an zu beten, wenn wirklich alles andere nicht mehr half. Ich versuchte wirklich, mir vorzustellen, wie Julian betete. Keine Chance.
    Und im nächsten Brief, da erzählte er mir von diesem Ort, in den er immer gelangte, wenn er betete. Und dort fühlte er sich so gut, so friedlich, so sicher und unverletzlich, wie er sich noch nie in seinem Leben gefühlt hatte. Das versetzte mir einen Stich. Genau so hatte ich mich während unserer ersten gemeinsamen Nacht gefühlt und in Barcelona im Meer und ich hatte gedacht, dass es ihm genauso gegangen wäre. Aber nein, er musste beten, um sich so zu fühlen. Wütend zerknüllte ich den Brief und warf ihn einen halben Meter am Papierkorb vorbei. Und allein das bewies schon, in welchem Ausnahmezustand ich mich befand, denn ich traf sonst immer.
    Und dann kamen der dritte und der vierte, der fünfte und der sechste Brief und es wurde immer schlimmer und ich konnte Julian immer weniger verstehen. Und ohne diesen Murat jemals kennengelernt zu haben, begann ich, ihn zu hassen, denn Julian sprach so liebevoll von dieser Religion, die er von diesem Murat hatte, wie andere über ihre Freundin sprechen. Es war, als würde sich Stück für Stück für Stück etwas Großes, Trennendes zwischen uns schieben, uns auseinanderreißen, und ich nahm mir vor, ihn beim nächsten Besuch darauf anzusprechen.
    Aber dann ging da wieder dieser Beamte auf und ab und ab und auf. Blieb stehen, erhaschte hier und da eine Silbe, musste ja auch stinklangweilig sein, den ganzen Tag im

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