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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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und löcherte mich. Wie das denn alles so wäre mit dem Islam. Ich war völlig überfordert. So groß war mein Wissen ja auch noch nicht. Ich wusste nur, dass ich glaubte. »Frag doch mal Murat. Der praktiziert schon viel länger.«
    Erst sträubte sie sich, aber ein paar Tage später beim Abendessen streute sie dann die eine oder andere Frage ein. Ganz beiläufig, versteht sich. Murat hob die Brauen und warf mir einen fragenden Blick zu. Ich zwinkerte ihm zu und Murat begann tatsächlich zu erzählen. Ganz normal und nicht, als säße ihm eine Teufelin gegenüber wie sonst.
    Und von diesem Tag an wurde alles besser. Dank Romea hatten wir vorerst keine Geldsorgen und Murat und sie unterhielten sich auf einmal wie zivilisierte Menschen. Dass sie sich anfreundeten, wäre vielleicht zu viel gesagt, aber sie respektierten sich irgendwie.
    Romea, die alle Dinge wie immer viel strukturierter anging als ich, hatte sich die Sammlung der Hadithe, die Überlieferung der Aussprüche und Handlungen des Propheten, und die Sira, die Biografie Mohammeds, gekauft und stöberte tagelang zum Thema Islam im Netz. Wahrscheinlich wusste sie inzwischen schon viel mehr darüber als ich. Aber am allerschönsten war, wenn Romea und ich zusammen beteten. Dann fühlte ich mich ihr noch näher als früher, obwohl ich nie gedacht hätte, dass das möglich sein würde. Dann war die Welt irgendwie perfekt. Wirklich perfekt. Und Romea schien das zunehmend auch so zu gehen.
    Irgendwie inspirierten wir uns gegenseitig.
    Und auch Murat machte sich prächtig. Seitdem er gemerkt hatte, dass Romea sich wirklich für den Islam interessierte, diskutierte er ganz gerne mit ihr und sie, sie sog alles in sich auf wie ein Schwamm. Allah hatte meine Gebete erhört und die Welt war gerade gar nicht mehr so beschissen.
    Und, alhamdulilla, irgendwann hatte ich dann auch die Bewährungszeit überstanden.
    Nun war ich wirklich wieder ein freier Mann und ich hatte sortiert nach dem, was ich brauchte und was nicht. Und das Schöne war, ich hatte festgestellt, dass ich keinen Luxus brauchte. Früher hatte ich immer von einem fetten Auto und heißen Bräuten auf der Kühlerhaube geträumt und einer Villa mit Pool. Aber inzwischen dachte ich, dass mich das nur vom Eigentlichen ablenken würde. Es war schön, Allah, dem Allmächtigen, so nah zu sein. Außerdem hatte ich die coolste Freundin der Welt und einen inzwischen besten Freund namens Murat. Wenn wir drei zusammenhielten, dann reichte auch unsere Kohle fürs Leben. Was wollte ich eigentlich mehr? Ich war runtergekommen. War angekommen. Ich stand mit beiden Beinen auf der Erde und trotzdem fühlte es sich an, als ob ich schwebte.

Ich hatte echt den totalen Horror davor gehabt, mit dem Propheten eine Wohnung zu teilen, dem falschen Propheten, meinem Widersacher, dem Typen, der eine Mauer zwischen Julian und mir errichtet hatte, und davor, dass Ma und Pa eines Tages vor der Tür stehen würden mit vergrämten Was-haben-wir-nur-falsch-gemacht-Gesichtern und rot geheulten Augen. Aber tatsächlich kam alles ganz anders.
    Die ganze erste Nacht bei Julian lag ich wach. Ich lag wach und war voller Zweifel. War ich gerade dabei, mein Leben wegzuwerfen? Mir war vollkommen klar, was ich nicht wollte. Aber was wollte ich stattdessen? Klar, Julian. Aber würde ich ihn auch noch wollen, wenn er sich noch mehr in dieses Islam-Ding hineinsteigern würde? Bis auf die Tatsache, dass ich Julian liebte, war ich vollkommen leer. Dass ich heute möglicherweise mit meiner Familie gebrochen hatte, wusste ich zwar, aber ich spürte es nicht. Und diese Leere war unerträglich. Ich stellte mir vor, wie Julian und Murat verzückt beteten und wie ich leer danebenstand. Mit nichts verbunden. Nicht mal mit Julian. Sorry, you are disconnected now.
    Mit einem leeren Menschen kann man nichts anfangen, vor allem, wenn man selbst gerade so erfüllt ist. Julian würde unser Band zerschneiden. Eines Tages würde er das. Eine einsame Träne lief mir die Wange herab.
    Gab es Gott? Niemand kann beweisen, dass es Gott gibt, aber es kann auch niemand das Gegenteil belegen, weil Gott außerhalb unseres materiellen Bezugsrahmens steht. So oder so. Wir sind einfach zu klein, um zu begreifen. Ich fragte mich, ob ich jemals an Gott geglaubt hatte und konnte mich nicht erinnern. Meine Eltern glaubten an nichts. Na ja, irgendwie waren sie Christen, aber es spielte keine Rolle in ihrem Leben. Nicht wirklich. Es wurde getauft, geheiratet und gestorben mit der Kirche

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