Djihad Paradise: Roman (German Edition)
»Salafiyya-Bruderschaft« ein und ich, ich hatte zuerst ein wenig Angst davor. Schließlich wusste ich so gut wie nichts. Zum Beispiel wie man sich verhielt, aber Murat zerstreute meine Bedenken.
»Glaub mir, du wirst herzlich empfangen werden«, versicherte er mir immer und immer wieder.
Und eines Tages bin ich dann mitgegangen. Zuerst sprach ich mit dem Imam, der wirklich sichtlich erfreut schien, als ich bei ihm auftauchte. Ich hatte mir Imame immer als alte, bedächtige, weise und mehr oder weniger gütige Männer vorgestellt, ein wenig wie den lieben Gott in christlichen Kinderbibeln, aber dieser Imam Mustafa Metwally war höchstens dreißig und er sprühte vor Energie. Wenn er sprach, dann riss es einen einfach mit, ob man das nun wollte oder nicht.
»Wie schön, dass du gekommen bist. Schau dich nur um. Du bist immer herzlich willkommen«, sagte er.
Ich war erstaunt. So viel Gastfreundschaft hatte ich nicht erwartet.
Murat winkte mir und ich folgte ihm. Er führte mich zu einem Grüppchen von Frauen, die auf dem Hof einen Schwatz hielten. Sie lachten viel. Alle trugen Kopftuch. Und ich, ich kam mir plötzlich seltsam vor so ohne Kopfbedeckung, irgendwie fühlte ich mich ein bisschen nackt und gleichzeitig ärgerte ich mich über mich selbst. Denn warum sollte ich ein Kopftuch tragen? Ich hatte noch nie verstanden, wozu das gut sein sollte.
Als mich Murat vorstellte, löste sich sofort eine ältere Frau aus der Gruppe, sagte auf Deutsch, dass sie Shirin heiße, hakte mich unter und zog mich in die Gruppe. Die meisten Frauen, die vorher noch Arabisch gesprochen hatten, schalteten auf Deutsch um, damit ich sie verstehen konnte. Und ihre Fragen und meine Antworten hüpften hin und her wie Pingpongbälle und wer hätte gedacht, dass ich mich zwischen zehn Kopftuchfrauen so wohlfühlen würde.
Ich ging jetzt öfter mit den Jungs in die Moschee und jedes Mal schienen sich dort auch alle zu freuen, wenn ich mitkam. Und je öfter ich mitkam, desto besser gefiel es mir dort. Vor allem, dass dort die Gemeinschaft zählte und nicht, was jemand darstellte. Es war völlig egal, ob jemand viel oder wenig verdiente oder ob er schlau oder doof war. Und vor allem: Man hatte Zeit füreinander. Irgendwer war immer da, der Zeit hatte und zuhörte oder selbst erzählte.
Ich hatte mich mit Literatur eingedeckt und las und las und las. Ich wollte unbedingt herausfinden, was ich gefunden hatte. Dieser Raum, in dem alles gut war, wenn ich betete. Was war das? Meditation? Selbsthypnose oder Gott? Oder Allah? Machte Gott oder Allah überhaupt einen Unterschied? War es das, wonach ich gesucht hatte?
Ein wenig beneidete ich Julian. Er stellte schon lange keine Fragen mehr. Für ihn war die Sache klar. Er hatte zu Allah gefunden und was der Imam sagte, das war richtig. Immer.
Aber zumindest gab mir das Gebet Sicherheit, weil ich mich geborgen fühlte. Es war wie das alles lösende Puzzlestück. Wenn ich dort war, ergab alles einen Sinn.
»Sag mal, wollen wir nicht irgendwann das Glaubensbekenntnis, die Schahada, sprechen?«, fragte Julian eines Nachts, nachdem wir uns geliebt hatten und aneinandergekuschelt nebeneinanderlagen.
»Wie kommst du denn jetzt darauf?«, fragte ich ihn. Aber ich hatte selbst schon darüber nachgedacht.
»Na ja, du spürst es doch auch?«, fragte er.
»Was?«
»Allah.«
»Ich spüre etwas Großes, das mich glücklich macht, aber ich weiß noch nicht, ob das Gott ist«, antwortete ich.
»Das ist nicht Gott, das ist Allah«, sagte Julian vorwurfsvoll.
»Mann, das ist doch egal«, protestierte ich.
»Nein, Romea. Das ist es nicht. Allah ist viel größer als Gott.« Julian klang fast ärgerlich.
»Ich glaube, das ist dasselbe.«
»Das ist gotteslästerlich, was du da sagst.«
Ich musste lachen. »Gotteslästerlich, ja? Vielleicht allahlästerlich nach deiner Interpretation.«
Julian seufzte. »Was ist denn nun mit der Schahada? Ich kann nicht mehr ewig warten.«
Ich legte meinen Arm um Julian. »Hey, Raphop. Ich bin noch nicht so weit.«
Julian befreite sich von meinem Arm und sagte ärgerlich: »Nenn mich bloß nie wieder Raphop. Raphop gibt es nicht mehr. Rap ist Musik und Musik ist haram.«
»Phhh … Das glaube ich nicht, dass Musik unrein ist. Das gehört doch zu den schönsten Dingen, die es überhaupt gibt auf der Welt. Das kann nicht unrein sein.«
»Und? Zehn nackte Nutten gehören vielleicht auch zu den schönsten Dingen auf der Welt. Trotzdem ist es haram, mit ihnen zu
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