Djihad Paradise: Roman (German Edition)
wäre unklug gewesen, das in einer Mail zu schreiben oder am Telefon zu sagen.«
So eine Art inneres Frühwarnsystem setzte in mir ein, ich richtete mich abrupt auf und starrte Abdel an. »O.k. Bitte sag mir genau , was passiert ist!«
»Jetzt schau doch nicht so!«, sagte Abdel und grinste. »Ich habe gesagt, dass etwas Großes, nicht, dass etwas Schlimmes passiert ist.«
»Ich höre …«
Abdel strahlte über das ganze Gesicht. »Ich bin auserwählt.«
»Auserwählt???«
»Ich werde Gotteskrieger«, sagte er. »In Pakistan.« Abdel war stolz wie ein Hund, der seinem Herrchen eben die Pantoffeln apportiert hatte.
»Du wirst was ??? Bitte, sag, dass ich mich verhört habe.« In mir war ein Karussell angesprungen, das sich drehte, immer und immer schneller drehte, eine Zentrifuge, die mich aus mir selbst herausschleudern wollte. Es war nicht wahr. Alles gar nicht wahr.
»Du hast schon richtig gehört. Ich werde Gotteskrieger.«
»Sag mal, spinnst du? Weißt du, was das bedeutet?« Ich war wütend. So was von wütend.
Abdels Miene verfinsterte sich. »Ich weiß genau, was ich tue«, sagte er trotzig.
»Das wage ich zu bezweifeln.« Ich sprang aus dem Bett und lief auf und ab. Abdel kam hinterher.
»Jetzt beruhige dich doch mal«, sagte er und versuchte, seinen Arm um mich zu legen. Doch ich schüttelte ihn ab.
»Und? Darf man den Grund erfahren, warum du dir einbildest, Gotteskrieger werden zu müssen? Und seit wann trägst du eigentlich ein Palituch?«
»Ich bilde mir das nicht ein. Allah hat mir ein Zeichen gegeben. Und das Tuch, das ist ein Vermächtnis. Ein Vermächtnis von Samir, von dem ich dir geschrieben habe, und ich trage es als Flagge meines Zorns.«
»Flagge deines Zorns! Ph … Und natürlich, Allah hat dir ein Zeichen gegeben.« Ich rollte mit den Augen. »Was hat er denn gesagt? Steh auf und werde Arschloch, oder was?«
»Ich bin auf dem Burak geritten und habe die Scharen in den Krieg geführt. Im Traum.«
»Weißt du, was du da sagst? Das ist Blasphemie. Den Burak reiten! Nur der Prophet, Allah gebe ihm Heil und Gesundheit, reitet den Burak. Selbst wenn das nur ein Traum war, ist das Blasphemie. Was haben die denn in Alexandria mit dir gemacht? Bist du verrückt geworden, oder was?«
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich auserwählt bin«, presste Abdel hervor.
»Natürlich bist du auserwählt. Auserwählt, wahnsinnig zu werden. Gotteskrieger! Gegen was willst du denn kämpfen? Gegen die US-Army? Mit Faustkeil und Speer, oder was? Da wünsch ich dir jetzt schon viel Glück!«
»Nein, gegen die Verderbtheit des Westens werde ich kämpfen. Und wenn ich falle, dann hast auch du gleich die Eintrittskarte ins Paradies.«
»Weißt du überhaupt, was Djihad bedeutet? Djihad heißt Anstrengung, Mühe. Und zwar die eigene Anstrengung, zu Allah zu finden, und nicht, wie ein muslimischer Rambo wild draufloszuschießen. Und außerdem: Sei unbesorgt, den Eintritt ins Paradies finde ich auch ohne dass mein Mann wahnsinnig wird.«
»Wahnsinnig!? Ich und wahnsinnig? Die haben Samir und Omar getötet. Jeden Tag tötet der Westen Zehntausende von Unschuldigen. Und das Morden geht weiter. Tag für Tag für Tag fließt Blut.« Abdel funkelte mich böse an.
»Der Westen, ja? Dann sag mal, wer ist denn der Westen? Du bist doch auch der Westen. Du, du hast doch überhaupt keine Ahnung von Politik und jetzt willst du Gotteskrieger spielen? Weißt du eigentlich, wie lächerlich du bist?«
Abdel hob seine Hand und auf einmal spürte ich einen Schmerz am Kinn und blickte Abdel erstaunt an. Verdammt, dieses Arschloch hatte mir einen Kinnhaken verpasst.
»Halt’s Maul, Shania! Halt einfach das Maul! Du, du weißt doch gar nicht, was du sagst. Deswegen sollen die Weiber auch schweigen, weil sie nämlich zu allem zu doof sind. Und erst recht über den Krieg sollen sie das Maul halten!«
»Wer hat dir denn in der Schule geholfen, wenn du nichts kapiert hast, hm?«, fragte ich. Ich hatte so einen Störton im Ohr, der immer lauter, immer allumfassender wurde. War nicht mehr nur im Ohr. Ich hatte einen Störton im Körper, im Hirn. Was da vor mir stand und redete, das war weder Julian noch Abdel, das war ein Fremder. Ein völlig Fremder. Einer, mit dem ich mich niemals abgeben würde.
»Verdammt! Ich hab dir doch gesagt, dass du das Maul halten sollst. Gehorch endlich! Im Hochzeitsvertrag hast du es unterschrieben, dass du mir gehorchen wirst!« Damit stürzte er sich auf mich und schlug auf mich ein,
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