Djihad Paradise: Roman (German Edition)
gegen uns führten, und sie waren es, die uns angegriffen hatten. Und ohne nachzudenken, zitierte ich aus der zweiten Sure des Korans: »Und tötet sie, wo immer ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben!«
Und dann hing dieser Vers im Raum. Große Worte. Heilige Worte. Es bedeutete ein riesiges, fettes Ja. Ob ich das nun wollte oder nicht. Ich schluckte. Gesagt war gesagt. Und vielleicht war es überhaupt die einzige Chance, all den Mist, den ich als Julian Engelmann gebaut hatte, wieder auszubügeln. Möglicherweise reichte der Rest meines Lebens ansonsten gar nicht mehr aus, um noch ins Paradies zu kommen. Wenn ich aber den Märtyrertod starb, dann würde ich definitiv nicht in die Hölle kommen. Ich dachte an Shania und irgendwas in mir zog sich schmerzhaft zusammen.
Amir ließ wohlwollend seinen Blick über mich gleiten.
Ich zwang meine Stimme dazu, nicht dünn und leise und zittrig zu klingen, als ich fragte: »Und … und wie funktioniert das?«
»Du fährst doch in drei Wochen nach Hause, wenn ich richtig informiert bin?«
Ich nickte.
»Gut. Wenn du zurück bist, dann organisiere eine Spendenaktion, damit du genug Geld für eine Reise in ein Ausbildungslager im Nordjemen oder Pakistan hast. Wenn du das Geld beisammenhast, schickst du mir eine Mail mit dem Betreff ›Paradise‹. Alles Weitere erfährst du dann.«
Ich musste sehr besorgt gewirkt haben, denn Amir legte tröstend seine Hand auf meinen Oberarm. »Mach dir keine Sorgen, Bruder. Ich werde dir noch rechtzeitig die richtigen Kontakte vermitteln.«
Er ging und als er weg war, kam mir alles wie ein Traum vor. Ein sehr realer Traum allerdings.
Als ich in die WG zurückkam, saßen Murat und Omar schon vor dem Fernseher und diskutierten eifrig darüber, ob Gummibärchen haram waren oder nicht.
»Natürlich sind Gummibärchen haram. Da ist Schweinegelatine drin!«, sagte Omar.
»Das stimmt doch gar nicht!«, protestierte Murat. Ich wusste genau, wie sehr er Gummibärchen liebte.
»Abdel, stimmt das mit den Schweinen?«
»Ich glaube ja. Aber in Ökoläden gibt es so Veganergummibärchen. Da ist gar keine Gelatine drin«, sagte ich, um ihn zu trösten.
Aber Murat wirkte trotzdem nicht besonders beglückt. »Ihr habt ja beide überhaupt keine Ahnung. Ich ruf jetzt bei ›Frag den Imam‹ an.«
Omar hustete. »Brüder, es tut mir leid, aber ich muss ins Bett. Ich glaube, ich werde krank«, sagte er und verschwand in seinem Zimmer.
Weder Murat noch ich achteten besonders auf ihn, denn das Gummibärchenproblem stand noch immer im Raum. Hektisch wählte Murat eine Nummer und während er in der Leitung hing, verdrehte er die Augen. Ich lachte mich halb schlapp über ihn. Als er nach zehn Minuten noch immer nicht durchgekommen war, gab er es auf und das Problem Gummibärchen wurde vertagt. Leider, denn jetzt arbeitete die Begegnung mit Amir in mir. Und so nach und nach wurde mir klar, worauf ich mich vorhin eingelassen hatte. Warum konnte ich manchmal nicht einfach mal meine Klappe halten? Ich hockte mich neben Murat und starrte in den Fernseher, ohne etwas zu sehen.
»Was ist denn los mit dir?«, fragte auf einmal Murat, der mich schon eine ganze Weile aus den Augenwinkeln beobachtet hatte.
»Nichts«, versuchte ich ihn loszuwerden.
»Natürlich. Irgendwas verschweigst du mir. Sind wir Freunde oder sind wir Freunde?«
Ich seufzte. »Murat, ich … ich werde irgendwann in den Djihad ziehen«, sagte ich schließlich leise.
»Du wirst WAS??? Und das sagst du mir erst jetzt?«
Murat war aufgesprungen und stemmte empört die Hände in die Hüften. »Hast du sie noch alle? Mann, Alter, ich bin dein Geistesbruder und du machst einfach so dein Ding und erzählst nichts.«
»Ach, komm. Mach kein Drama draus und setz dich wieder hin!«
»Das kannst du vergessen, dass ich mich noch mal hinsetze. Wie kannst du so eine Entscheidung fällen, ohne mich mit einzubeziehen? Vielleicht will ich ja auch in den Djihad ziehen? Da kann man doch vielleicht mal nachfragen, oder? Ich bin enttäuscht. Echt. Und ich dachte immer, wir sind Freunde.«
Ich sprang auf. »Murat! Natürlich sind wir Freunde. Du bist mein bester Freund!«
Aber Murat wollte nichts mehr von mir hören und verbarrikadierte sich in seinem Schlafraum.
Verdammt. Murat war echt sauer. Manchmal war er die totale Drama-Queen. Was für ein Scheißtag. Auf einmal fühlte ich mich unendlich schwer und der Weg in mein Zimmer erschien mir plötzlich wie ein
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