Djihad Paradise: Roman (German Edition)
stand zwischen Allah, dem Allmächtigen, und mir, weil ich sie mehr geliebt hatte als ihn. Außerdem hatte der Imam recht: Eine Frau verlässt ihren Mann nicht einfach so. Aber genau das hatte sie getan. Mich verlassen. Verdammte Bitch. Das würde ich ihr nie verzeihen, nie. NIE. Eine Schlampe war sie. Auch nicht besser als all die anderen Schlampen da draußen.
Der Schmerz blieb, aber ich gewöhnte mich daran. Das war nur irdischer Kleinkram. Die Weichen waren ohnehin anders gestellt. Amir wartete sicherlich schon auf Antwort. Das Ausbildungslager. Jetzt gab es nur noch eine große Sache in meinem Leben und das war der Krieg gegen die Ungläubigen. Und der nahm mich mehr und mehr in Beschlag. Immer und immer wieder sah ich mir all die Clips an, auf die mich Omar, möge er im Paradies sein, gestoßen hatte. Und das Bild war eindeutig: Der Westen hasste und bekämpfte uns, wo er nur konnte. Das fing in Deutschland mit Dingen wie Pro-Köln an und setzte sich unendlich fort über Afghanistan, Iran, Irak, Gaza, das Westjordanland und den Sudan. Überall waren sie gegen uns. Ich fragte mich, woher all der Hass gegen uns kam? Es war eine Koalition des Grauens, die USA nur ein Spielball der jüdischen Weltverschwörung. Und alle schlossen die Augen davor. Alle. Dabei hatte man das schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts gewusst. Es stand ja alles in den Protokollen der Weisen von Zion. Jeder, der wollte, konnte es nachlesen. Die Juden hatten es damals ja selbst protokolliert. Aber wie das so ist: Keiner will so etwas wissen, geschweige denn handeln. Und weil keiner etwas hören, sehen und sagen wollte, deswegen wurde einfach behauptet, die Schrift der Weisen von Zion sei eine bösartige Fälschung. Na, danke. Das Einzige, was bösartig war, war die Ignoranz. Und deswegen war es gut, dass es uns gab. Es war allerhöchste Zeit, dass etwas geschah. Auf der ganzen Welt wurden unsere Brüder und Schwestern beleidigt und abgeschlachtet.
Murat war wieder in mein Zimmer gezogen. Wir waren Brüder. Im Geiste waren wir Brüder und im Glauben. Und das schweißte uns zusammen. Und eines Tages fragte mich Murat: »Alter, wie lang willste denn die Kummernummer noch schieben? Ich kann dein Gewinsel wegen Romea schon verstehen, aber eines sage ich dir: Die kommt nicht zurück. Nicht, nachdem du sie geschlagen hast.«
»Aber es war mein Recht, sie zu schlagen. Als ihr Mann darf ich das. Das hat auch der Imam gesagt«, sagte ich trotzig.
»Ja, schon. Klar, du darfst das. Aber war es klug?«
Nein, verdammt. Es war nicht klug. Und Julian Engelmann hätte nie, nie, niemals eine Frau geschlagen. Gerade ging mir die ganze Bruderschaft und ihr ganzes dämliches Salafistengetue so was von auf den Keks. Was war, wenn sie sich irrten?
Stopp. Cut. Es war Julian Engelmann, der hier sprach und der in den letzten Wochen in Alexandria schon so angenehm tot schien.
»Murat – ich werde hier noch verrückt. Ich muss weg.«
»Genau! Luftveränderung!« Murat grinste. »Ich weiß ja nicht, was Amir zu dir gesagt hat, aber zu mir hat er gesagt, dass ich Geld auftreiben soll, damit ich ins Ausbildungscamp fahren kann.«
Das Ausbildungscamp! Daran hatte ich vor lauter Kummer und Gram gar nicht mehr gedacht. Das Ausbildungscamp! Abdel-Jabbar-Zukünftiger-Shahid holte aus, rechter Haken und: K.o. für Julian Engelmann.
Das war überhaupt die Lösung. Wenn ich im Camp wäre, dann war ich meine Brüder für eine Weile los und trotzdem sicher vor den Versuchungen des Westens. Und vor allem: Jetzt, wo Shania weg – so unweigerlich und unwiederbringlich weg – war – was hatte ich noch zu verlieren außer meinem Leben? Und war es nicht ein genialer Tausch, diesen Scheißdreck von Leben in einer nicht allzu fernen Zukunft einfach abzugeben gegen einen Platz in der ersten Reihe des Paradieses? Und wenn das Paradies wirklich so toll war und tausend Mal besser als das, was man sich vorstellen konnte, dann war es im Paradies ja vielleicht möglich, dass Shania zurückkam, oder? Und in meinem Kopf entstand folgende Gleichung: Paradise = Djihad und Djihad = Paradise.
»Murat, lass mich raten: Du willst mit diesem äußerst subtilen Hinweis möglicherweise andeuten, dass es vielleicht an der Zeit wäre, Geld aufzutreiben, damit wir so schnell wie möglich nach Pakistan können?«
»Bingo, Alter! Genau das. Die perfekte Ablenkung. One-way ins Paradies.«
Ein paar Tage grübelten wir darüber nach, wie wir zu Geld kommen konnten und dann hatten wir eine Idee,
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