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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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und ich war so was von verblüfft, dass ich mich nicht wehrte. Verdammt! Ich wehrte mich nicht. Ich hatte alles vergessen. Dass ich kickboxen konnte – hatte ich vergessen. Wer ich war – hatte ich vergessen. Warum ich diesen Mann bis eben geliebt hatte – hatte ich vergessen. Alles – alles hatte ich vergessen.
    Ich war ganz weit weg von mir, von allem, und sah von fern, dass diese Frau, zu der ich geworden war, heulend und apathisch in viel zu langen Gewändern am Boden lag und sich von ihrem Mann zusammenschlagen ließ und dabei völlig vergaß, sich zu wehren. Verwundert griff ich mir ins Gesicht und als ich danach auf meine Hände starrte, waren sie blutig. Blut. Ich sah Blut. Überall Blut. Rot und feucht. Und dann auf einmal schwarz. Und dann – nichts mehr. Alhamdulillah.

»Und tötet sie [die Ungläubigen, d.h. Nichtmuslime], wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie von dort, von wo sie euch vertrieben.«
   Koran, 2:191

Als Shania sich nicht mehr rührte, schlüpfte ich in Hose und Sweater und ging raus auf die Straße. Ich musste unbedingt an die frische Luft. Es war mitten in der Nacht und kalt. Verdammt kalt. Ich lief einfach drauflos und lief und lief und irgendwann stand ich dann an der Friedensglocke im Volkspark und starrte auf den Großen Teich. Die Kälte kroch in mir hoch, kroch mir über den Rücken, die Schultern, kroch über den Hals in meinen Kopf hinein und ich starrte auf meine Hände, an denen Blut klebte. Shanias Blut. War ich irre geworden? Warum hatte ich sie geschlagen? Warum hatte sie sich nicht gewehrt? Sie hätte das doch gekonnt. Sich wehren.
    Warum hatte ich erst aufgehört, als sie sich nicht mehr bewegte? Ich schüttelte mich. Was war nur aus mir geworden? Vor allem, warum hatte ich sie einfach so liegen lassen? Ich spurtete zurück. Scheiße, scheiße, scheiße!
    Als ich vor unserer Zimmertür stand, brauchte ich einen Moment, bis ich es wagte, die Klinke runterzudrücken. Ich war auf alles gefasst, aber nicht darauf: Sie war weg. Es klebte noch ein wenig Blut auf dem Teppich, aber Shania war weg.
    Ich fühlte mich wie betäubt. Shania war weg. Ich ließ mich auf den Boden sinken. Sie war weg. Und ich wusste ganz genau, sie würde niemals zurückkommen. Nicht Shania. Ich legte meinen Kopf auf den Fleck und begann zu heulen. Ich hatte alles kaputt gemacht. Alles. Wie immer.
    Am nächsten Morgen klopfte es und Murat trat ein. Er sah sich fragend um. »Wo ist denn Shania?« Er war sichtlich verwundert.
    »Weg«, murmelte ich.
    »Und warum schläfst du auf dem Fußboden?«, bohrte er weiter.
    »Weil ich ein Arschloch bin.«
    »Ich weiß. Aber das hat noch nie dazu geführt, dass du auf dem Fußboden geschlafen hast.«
    Ich stand auf und Murat starrte erst auf den Fleck und dann auf mich. »Was hast du getan?«, fragte er tonlos.
    Und dann erzählte ich ihm von unserem Streit.
    »Du bist echt ein Arschloch, Abdel! An ihrer Stelle wäre ich auch gegangen«, sagte er und schüttelte den Kopf über mich.
    Ich nickte. »Ich auch.« Dann lachte ich bitter auf: »Na, wenigstens du verlässt mich nicht.«
    »Nein, ich verlasse dich nicht«, sagte Murat. Ernst. Todernst. Zu ernst. Aber so verwirrt, wie ich war, hatte ich mich vielleicht auch getäuscht.
    »Kannst dich schon mal darauf einstellen, das wird ein ganz schönes Gerede geben in der Gemeinde«, wechselte Murat auf einmal das Thema.
    Ph … Was interessierte mich jetzt noch das Gerede? Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist jetzt auch egal.«
    »Und? Was willst du jetzt tun?«, fragte Murat mit großen Augen.
    Ich zuckte mit den Schultern. Egal. Mir war alles so was von egal. Sogar Allah, der Allmächtige, ging mir gerade ganz gewaltig am – na ja, jedenfalls vorbei.
    Immer wieder versuchte ich, Shania – oder war sie jetzt wieder Romea? – zu erreichen. Aber sie ging nicht ran. Ich wusste, dass sie nie, nie, niemals wieder mit mir sprechen würde, und versuchte es weiter.
    Die nächsten zwei Wochen war nichts mit mir anzufangen. Außerdem hatte die Tuschelei begonnen. Murat hatte recht gehabt. In einem Bienenstaat – da halte mal was geheim. Sie lachten über mich. Ich wusste genau, dass sie über mich lachten, mich für so eine Art Pantoffelheld hielten. Ich redete mir ein, dass mir das nichts ausmachte. Sie hielten mich für ein Weichei. Vielleicht hatten sie recht, aber es machte mich wahnsinnig, dass sie mich auslachten.
    Aber im Lauf der Zeit wurde mir klar, dass es so hatte kommen müssen, denn Shania

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