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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kuschnarowa
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sofort ins Krankenhaus.«
    »Ich muss gar nichts!«, protestierte ich.
    Aber Pa fackelte nicht lange, packte mich und bugsierte mich ins Auto. Und ich, ich hatte überhaupt keine Kraft mehr, mich dagegen zu wehren. Ich wollte schlafen. Einfach nur schlafen. Und ansonsten war ich nur noch ein willenloser Haufen aus Leere, Schmerz und blauen Flecken.
    Kurze Zeit später saß ich mit Pa in der Notaufnahme. Schweigend. Alles, was es zu sagen gegeben hätte, konnte noch nicht gesagt werden und schon gar nicht konnte es gesagt werden in diesem betriebsamen Uniklinikweiß.
    »Wie ist denn das passiert?«, fragte der Arzt, der mich untersuchte, und mir lag schon auf der Zunge: Ich bin die Treppe runtergefallen. Aber dann fiel mir ein, dass das ja alle geschlagenen Frauen sagten und die dann immer und immer wieder geschlagen wurden. Und eines war mal sicher – heute war das erste und letzte Mal, dass mir das passiert war. Also antwortete ich: »Mein Mann hat mich geschlagen. Es war das erste Mal und ich habe ihn eben verlassen.«
    Der Arzt sah mich einen Augenblick verdutzt an, dann lächelte er. »Gut.«
    Ich wurde geröntgt, aber außer einer Platzwunde, die genäht wurde und einem halben Dutzend Hämatomen war nichts.
    Dann fuhr mich Pa nach Hause und brachte mich in mein Bett. Ich sah gerade noch, dass Theresa und Ma betreten ihren Kopf in mein Zimmer steckten und dann schlief ich ein.

Da war ich wieder. Zurückgekehrt in den heiligen Schoß der Familie. Und einerseits war ich irgendwie froh, dass es ihn gab, diesen Schoß, aber andererseits passte ich nun erst recht nicht mehr richtig in ihn hinein.
    Ma, Pa und Theresa waren eine Einheit und ich war das Stück, das herausgebrochen war. Und auch wenn versucht wurde, diese Scherbe wieder an den Rest anzukleben, die Bruchstelle war für immer sichtbar. Wenn ich mit am Tisch saß, beobachteten sie mich. Nicht dass sie mich anstarrten, aber auf einmal wurde für sie meine kleinste Mimikveränderung zum Ereignis, jede zufällige Handbewegung zur Geste. Am Anfang hatten sie noch gefragt und ich hätte es ihnen gerne erklärt, wenn ich das alles selbst verstanden hätte. Aber ich verstand es nicht. War mir selbst ein Rätsel. Keine Ahnung, was mit mir passiert war. Rausch, Gehirnwäsche oder Wahnsinn. Oder alles zusammen.
    »Hört mal, es … es tut mir echt leid, dass ich euch damals weggeschickt habe.«
    »Aber warum hast du das getan? Ich würde es einfach nur gern verstehen«, sagte Ma.
    »Ich auch«, antwortete ich und zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Bist du jetzt eine Exislamistin?«, wollte Theresa wissen.
    Ich stutzte. Dann sagte ich: »Ja, aber ich glaube, dass ich noch glaube.«
    Meine Eltern zuckten unmerklich zusammen. Alarmiert sahen sie mich an. Für sie hatte es schon ein Happy End ohne Gott gegeben, aber für mich nicht. Ich hing irgendwo zwischen den Welten.
    Die Zeit verging. Meine Hämatome verblassten, die Platzwunde bildete eine Narbe, aber innen drin fühlte ich mich wie Hackfleisch. Wie Hackfleisch mit Nerven, die blank lagen. Ich fühlte mich verraten und verkauft. Geöffnet hatte ich mich und hatte ihn gespürt, den Ursprung, aus dem wir alle kamen, und dann hatte ich mein Hirn abgegeben und mich zur Sklavin machen lassen. Und Julian hatten sie zum Kampfroboter-Macho gemacht. Diese Fundis dort, sie hatten alles verkehrt, pervertiert. Statt Liebe säten sie Hass und Misstrauen. Sie waren Verblendete, die sich Gott, Allah, Jahwe oder wen auch immer aneigneten, um sich über andere zu erheben. Und doch sehnte ich mich nach dem Verbundensein. Dem Plugin of everything.
    Eines Tages setzte ich mein Kopftuch wieder auf, obwohl ich ansonsten wieder ganz normal Jeans und so trug. Pa verfiel gleich in Panik. »Romea?? Du wirst doch nicht etwa zu denen zurückgehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Zu denen ganz bestimmt nicht. Aber vielleicht zu anderen.«
    Pa sah so ängstlich aus, dass er mir auf einmal schrecklich leidtat. Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihn. »Mach dir keine Sorgen. Diesmal bin ich schlauer.«
    Pa sah mich zweifelnd an und sagte: »Hoffentlich, Schatz. Hoffentlich.«

Nachdem wir ein paar Klamotten, Geld, Medikamente, Campinggeschirr und Schlafsack gepackt und uns von allen verabschiedet hatten, hatte unser vielleicht letztes Abenteuer wirklich begonnen.
    Ich simste dem Kontaktmann »freedom« und flößte Murat irgendein Zeug ein, das gegen Flugangst helfen sollte und eine gute Stunde später waren wir in Wien. Kaum zu glauben.

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