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Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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bis auf wenige Restanlagen zerstört. Die Briten haben mit ihrem gottverdammten Unternehmen Hydra im August ’43 all unsere oberirdischen technischen Einrichtungen vernichtet. Diese Barbaren haben den ersten Mach-4-Windkanal der Welt pulverisiert!«
    Sina herrschte Koenig an. »Hören Sie mir gut zu: Ihr Mach-4-Windkanal interessiert mich einen Scheißdreck. Sie sollen mir was über Ihre Sklaven erzählen, die Sie für sich schuften lassen haben.«
    »Sina, hör auf. Diese Zwangsarbeitersache hält uns nur auf«, hielt Gabriele dagegen.
    Sina warf ihr einen giftigen Blick zu. »Verdammt! Gabi! Ich muss das wissen. Ich muss wissen, mit wem wir es hier zu tun haben.« Sie mahnte: »Sprechen Sie! Wie war das mit den Sklaven?«
    »Das war Angelegenheit der Militärs«, röchelte Koenig. »Wir Wissenschaftler hatten damit nichts zu schaffen.«
    »Ich glaub Ihnen kein Wort!«
    Koenig prustete. »Bei Gott! Ich schwöre: Wir wussten nur, dass es sie gab. Es waren Tausende. Juden, russische Kriegsgefangene, politisch unbequeme Leute. Aber wir hatten kaum was mit ihnen zu tun«, beteuerte der alte Mann.
    Sina forderte Koenig zum Weiterreden auf. Sie wollte alles wissen. Die ganze schmutzige Wahrheit.
    Koenig rückte seinen Kragen zurecht. »Ein Drittel aller deutschen Wissenschaftler war mehr oder weniger mit dem Raketenfernprogramm beschäftigt. In Peenemünde waren wir, lassen Sie mich nachdenken, mindestens 2.000. Verstehen Sie das bitte: Wir hatten alles! Gutes Geld. Versuchsanlagen, von denen andere Forscher nur träumen konnten. Wir waren die Weltelite! Und wir waren sicher, dass wir die Welt revolutionieren würden.«
    »Sie weichen wieder aus. Was haben Sie getan, als Sie von den Zwangsarbeitern hörten? Was , König? Warum haben Sie Ihre Arbeit nicht unverzüglich hingeschmissen?« Sina ließ nicht von ihm ab.
    »Warum fragen Sie das ausgerechnet mich?« Koenig gewann an Standfestigkeit zurück. »Ich war nur ein kleines Rad am Wagen.«
    »Ach, Gottchen. Kommen Sie mir nicht mit so abgedroschenen Floskeln. Wir wissen, dass Sie damals recht erfolgreich mitgemischt haben.«
    »Und von Braun? Was war mit dem?«, konterte Koenig, der sich offensichtlich in die Ecke gedrängt fühlte. »Denken Sie, der ›Vater der Mondrakete‹ hat nichts von den Verhältnissen im Mittelbau gewusst? Von wegen weltfremder Raumfahrtenthusiast! Dass ich nicht lache! Von Braun muss klar gewesen sein, dass für seine Brötchengeber Menschenleben nicht viel zählten. Von Braun hatte das Image des jungenhaften Raketenenthusiasten – aber in Wahrheit hat auch er mit dem Teufel paktiert. Wenn ich ein Kriegsverbrecher sein soll, dann war er es erst recht.«
    Sina war innerlich aufgewühlt. Sie hörte Koenig zu. Und je länger sie seinen Worten folgte, desto mehr fragte sie sich, wie dieser Mann jemals mit seinem Gewissen ins Reine hatte kommen können. Er verstand offenbar überhaupt nicht, dass er, je mehr er Wernher von Braun belastete, sich selbst ins Abseits brachte. Es war unverkennbar, dass Koenig Leichen im Keller hatte. Viele 100 Leichen, die ihm wahrscheinlich bis zum heutigen Tage als Spukbilder in Form von ausgemergelten und gequälten Gestalten in seinen Träumen begegneten. Sina wollte Koenig weiter ausfragen, aber sie war zu niedergeschlagen, um handfeste Fragen zu stellen. Alles, was sie hervorbrachte, war: »Und danach? Wie konnten Sie einfach so weiterleben, nach dem Krieg?«
    »Was für eine Frage! Ich hatte überhaupt keine Wahl.«
    »Das haben Sie schon einmal gesagt.«
    »Wenn es doch so ist! Die Amerikaner haben uns in Beschlag genommen. Von Braun und 115 Ingenieure. Ich war dabei. Auch ich habe an der Saturnrakete mitgewirkt. Und nach den ersten Ariane-Abstürzen war mein Rat nicht unerwünscht.« Stolz schwang in seiner Stimme mit. Trotzig ergänzte er: »Ehe Sie mir weiter Vorwürfe um den Kopf hauen, junge Frau: Ohne deutsches Wissen, ohne unser Wissen wäre auch Juri Gagarin nie ins Weltall gekommen. Zum Kuckuck! Verstehen Sie denn nicht? Es hat einfach keinen vernünftig denkenden Menschen interessiert, ob wir eine weiße Weste hatten oder nicht. Weder die Amerikaner noch die Sowjets.«
    Sinas Stimmung hatte den absoluten Tiefpunkt erreicht. Wie konnte jemand, wie konnte ein Mensch so viel Schuld von sich schieben? Sich hinter einer Fassade aus scheinheiliger öffentlicher Anerkennung verbergen. Was sie in diesem Moment getan hätte: sie wäre am liebsten gegangen. Sie hätte sich einfach umgedreht und wäre

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