Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
bahnte sich mit energischen Armbewegungen ihren Weg durch das Dickicht vor der Stahltür. Sie hatte einige Mühe, das Tor leidlich gut freizulegen. Denn immer wieder schnellten widerspenstige Äste dorthin zurück, von wo sie sie weggeschoben hatte. Dann gelang es ihr, den Verschluss der Pforte zugänglich zu machen. Er war durch die Explosion beschädigt worden. Offensichtlich hatte ein Granatsplitter das schwere Schloss zerschmettert. Gabriele griff nach einer Art Knauf, der neben dem Schloss befestigt war und zog mit aller Kraft daran. Doch die Eisentür bewegte sich keinen Millimeter. Sie stemmte den rechten Fuß gegen die Betonwand, grub den linken stützend in den Boden und versuchte sich abermals daran, die Tür aufzuziehen. Wieder ohne Erfolg. Erschöpft ließ sie von dem Tor ab und wandte sich suchend nach hinten. »Sina?«, rief sie, bekam jedoch keine Antwort. Dann energischer: »Sina! Wo zum Teufel steckst du?«
Sina stand noch immer vor dem Gebüsch, das die Schneise zum Bunker abschirmte. Sie zögerte und wusste nicht, ob sie Gabriele tatsächlich weiter folgen sollte. Nur widerwillig schob sie das Dickicht auseinander und brummelte dabei vor sich hin: »Dass diese Frau nie den Hals voll kriegen kann.« Sie fand ihre Freundin hilflos vor der zerbeulten Stahltür stehen – und schaltete sofort: »Oh, nein. Einmal in die Luft sprengen reicht pro Tag.«
Sie wollte sich bereits wieder zum Gehen aufmachen, als Gabriele ihr zurief: »Du bleibst hier. Du wirst mich nicht allein lassen. Nicht, nachdem du soweit gegangen bist.«
Sina hielt einen Moment inne. Doch dann entschloss sie, sich nicht beirren zu lassen. Gabriele hatte den Bogen mehr als überspannt. Diesmal war es um Leben und Tod gegangen. Das konnte Sina ihrer Freundin nicht durchgehen lassen. Sie beschloss, von diesem Ort zu verschwinden.
»Sina, bitte!« Gabrieles Stimme klang flehend. »Wenn du mir den Kopf dafür abreißen willst, dass ich uns beide einer so schrecklichen Gefahr ausgesetzt habe, dann tu es. Du hättest damit sogar recht. Ich habe wirklich unverantwortlich gehandelt.«
Sina konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen, hütete sich aber davor, sich wieder ihrer Freundin zuzuwenden. Wie eingefroren blieb sie stehen und wartete, was Gabriele vorzubringen hatte.
»Aber wenn du mir schon den Kopf abreißen musst, dann warte wenigstens so lange, bis wir diese gottverdammte Tür geöffnet haben. Ich möchte nach all den Unannehmlichkeiten der letzten Tage zumindest einmal in dieses Loch hineinsehen, bevor ich sterbe. Dann kann ich wenigstens sagen: Ja. Ich hatte recht. Oder: Nein. Ich habe mich geirrt. Schwamm drüber.« Und nach einer Pause: »Also, Kleine? Gewährst du mir diesen Aufschub?«
Natürlich hatte Gabriele auch diesesmal gewonnen. Aber weniger, weil sie Sina mit ihren Worten um den Finger gewickelt hatte. Nein, der ausschlaggebende Grund lag bei Sina selbst: Ihre Neugierde war beim Anblick der beschädigten Stahltür geweckt worden. Es konnte schließlich nicht schaden, wenn sie sich das Tor genauer ansahen. Vielleicht war es wirklich nur ein kleiner Handgriff, und das Innere des ominösen Bunkers würde ihnen endlich offen stehen. Ohne sich umzusehen, sagte sie: »O. k. Ich hol das Werkzeug.«
29
Finsternis. Nichts war zu sehen, nicht einmal die Hand vor den eigenen Augen. Das gedämpfte Licht, das von außen durch die armbreit geöffnete Tür fiel, erhellte kaum die ersten beiden Treppenstufen, die vom Eingang ausgehend in die Tiefe führten. Sina schaltete den Strahler an der Front ihres Grubenhelms an. Mit dem gleißend hellen Strahl beleuchtete sie die von Moos bewachsenen Wände an beiden Seiten. Sie senkte den Kopf und ließ das Licht die Stufen zu ihren Füßen hinab folgen. Vor ihr ging es beängstigend steil abwärts. Unsicher suchte sie am feuchten, bröckelnden Wandputz Halt. Ihre Hand fuhr tastend über die glitschig-weiche Oberfläche und stieß dann auf ein vom Rost zerfressenes Geländer.
Sina hatte tatsächlich nur ein paar Minuten gebraucht, um die angeschlagene Bunkertür aufzuhieven. Zwei Versuche mit ihrer Rohrzange, danach hatte die zentimeterdicke Stahlkonstruktion unter schwerem Ächzen nachgegeben. Den Rest besorgte Sina mit dem Wagenheber aus Gabrieles VW: Sie klemmte ihn in die schmale Öffnung zwischen Tor und Stahlrahmen und pumpte. Als sie die Pforte einen halben Meter weit geöffnet hatte, stiegen beide Frauen hinein.
»Knips deine Lampe auch an, Gabi. Sonst machst du
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