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Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen

Titel: Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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gleich Purzelbäume in Richtung Erdmittelpunkt. Hier geht’s nämlich verdammt steil abwärts.« Gabriele befolgte brav Sinas Rat. Langsam wagten sich die Frauen die Treppe hinunter. Nach ein paar Metern verschwand der schwache Schimmer des Tageslichts, der durch den Spalt der Toröffnung fiel. Kühle, modrige Luft schlug den beiden entgegen. Von der Decke tropfte ihnen Wasser ins Gesicht.
    Sina fühlte sich an eine ihrer ersten Exkursionen mit ihrer Freundin erinnert. Es war bereits Jahre her. Damals hatten sich die beiden erst kennengelernt. Gabriele hatte ihr so gekonnt von ihrem Hobby vorgeschwärmt, dass Sina sich zu einem Ausflug in die Unterwelt hatte verführen lassen. Zu einem vergleichsweise harmlosen Trip allerdings: Die beiden waren in die unterirdischen Schutzräume unter Nürnbergs Innenstadt abgestiegen. Ein riesiges System aus Gängen und Räumen, das sich vom Stadtzentrum über Verzweigungen 16 Kilometer weit bis zum Rathenauplatz am Rande der mittelalterlichen Stadtmauer erstreckt. Die Stollen waren an die Felsenkeller nahe der Nürnberger Burg angeschlossen und boten bei Luftangriffen während des Krieges bis zu 15.000 Menschen zuverlässigen Schutz.
    Gabriele kannte sich bestens in den Stollen aus. Denn der größte Raum unterhalb des Paniersplatzes war während des Krieges dem Kunstluftschutz vorbehalten: Der ›Englische Gruß‹ von Veit Stoß und andere Kostbarkeiten aus Kirchen und Museen waren hier eingelagert worden. Auch die weltbekannten Reichskleinodien, Krone, Zepter und Reichsapfel, waren vorübergehend in den Gängen eingemauert. Kein Wunder, dass sich Gabriele immer wieder in den Stollen herumtrieb, um nach dem ein oder anderen vergessenen Kunstschatz zu fahnden.
    »Willst du länger Löcher in die Dunkelheit starren, oder geht’s bald weiter?« Damit riss Gabriele Sina aus ihren Gedanken.
    »Nein, entschuldige, ich will erst meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, bevor ich mich weiter auf diesen nassen Stufen vorwage.« Sina schritt vorsichtig voran. Ganz langsam, behutsam, einen Schritt nach dem anderen. Auf der Betonwand links neben ihr erblickte sie einen kaum mehr leserlichen Schriftzug, der schwach rötlich unter dem Moos hindurch schien. Sie blieb stehen und kratzte die Pflanzenschicht beiseite. »Wer Gerüchte verbreitet, begeht Hochverrat«, las sie mit mattem Tonfall.
    Gabriele legte ihr die Hand auf die Schulter: »Ich glaube, wir sind hier richtig. Das klingt ganz nach Einschüchterung im besten Nazistil.« Sina nickte stumm und ging weiter.
    Die Stufen endeten jäh auf einem steinernen Plateau. Links und rechts grauer Beton, auf dem Boden ein grünlich-grauer Belag. Sina bückte sich, strich vorsichtig darüber. »Fühlt sich weich an. Und irgendwie eklig.«
    »Vielleicht war das mal so was ähnliches wie ein Teppich«, meinte Gabriele ohne Interesse. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den Korridoren, die zu beiden Seiten des Vorraumes abzweigten. Sie bewegte sich langsam auf den ersten Gang zu, tastete sich mit dem Lichtstrahl ihrer Helmleuchte voran. Zuerst mit vorsichtigen, kleinen Schritten, bald zügiger. Sina folgte ihr. Nach wenigen Metern teilte sich der Korridor erneut. Links ging es in einen langen Gang mit Türen und weiteren Abzweigungen entlang. Rechts in einen Flur, der bald vor einer tristen Wand endete.
    Die Frauen verständigten sich mit einem Kopfnicken darauf, den linken Weg einzuschlagen. Die Betonwände waren hier holzvertäfelt. Diese fast luxuriöse Einrichtung stand ganz im Gegensatz zum kargen Bild, das der Bunkereingang bot. Sina durchbrach die Stille: »Und nun? Wo suchen wir zuerst nach deinen Van Meers?«
    Während sich Sina unbewusst nur mit einem leisen Flüstern geäußert hat, erwiderte Gabriele selbstbewusst und lautstark: »Woher soll ich das wissen? Schauen wir uns erst mal um!« Entschlossen ging sie auf eine der seitlich angeordneten Stahltüren zu und drückte die Klinge. Sie rüttelte, doch nichts geschah.
    Sina wandte sich einer anderen Tür zu: »Mist! Auch abgeschlossen.«
    Gabriele rüttelte erfolglos an der dritten Tür. »Diese Hurensöhne haben hier tatsächlich alles verriegelt, bevor sie das Weite gesucht haben. Typisch deutsche Gründlichkeit.«
    Sina schnallte ihren kleinen Rucksack vom Rücken und suchte etwas darin im Licht ihrer Helmlampe. »Na also, da sind ja meine kleinen Freunde.« Sie zog ein schmales Etui hervor. Im Innern lagen Dietriche in diversen Ausführungen. Sina griff gezielt nach einem der gebogenen

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