Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
sich durch die schmale Öffnung hindurchzwängen. Sina packte sie abermals am Arm, um sie aufzuhalten. Zwecklos. Die Ältere machte sich los.
Schon stapfte Gabriele, immer noch wild entschlossen, den Gang in der ersten Bunkerebene entlang und zur Treppe abwärts. Sina griff noch einmal fest zu und drängte Gabriele an die kalte Flurwand. Gabriele zappelte, aber Sina hielt sie eisern fest.
»Das ist idiotisch! Komm weg hier!«, befahl Sina.
»Nein! Was da unten liegt, gehört mir! Nur mir! Nicht irgendwelchen dahergelaufenen Fremden!«
Sina versuchte es mit nüchtern-sachlicher Überzeugungsarbeit, um einen ruhigen Ton bemüht: »Was meinst du, passiert, wenn du auf die Typen triffst?«
Gabriele klopfte mit dem Schraubenschlüssel in die hohle Hand. »Dann passiert das hier!«
»Aber es sind fünf!«
»Na und«, entgegnete Gabriele trotzig. Sie schüttelte Sinas Hände ab, setzte leise und kläglich fort: »Seit so vielen Jahren warte ich auf solch eine Sache. Die ganze Zeit höre ich nichts als Spott meiner Kollegen: Spinnerin, Dilettantin, keine Ahnung von Kunstgeschichte.« Sie schluckte schwer. »Dann die viele Arbeit der letzten Zeit. Tag und Nacht Akten wälzen! Ich habe dieses Lager gefunden – die Schätze gehören mir.«
»Trotzdem haben wir keine Chance gegen diese fünf!«
Gabriele wollte weiter aufbegehren: »Das ist so ungerecht!«
Sina hielt ihr unvermittelt den Mund zu. Da war ein Geräusch! Sie hatte es ganz deutlich gehört! Beide Frauen lauschten gebannt in die Dunkelheit. Sina gab Gabrieles Mund wieder frei, signalisierte ihr aber, leise zu reden.
»Was war das?«, erkundigte sich Gabriele.
»Klang wie ’ne zugeschlagene Tür. Sie sind unten, in der zweiten Ebene!«
»Egal, ob die in der Überzahl sind! Ich muss sehen, was die machen!«
Gabriele drehte sich um, huschte zur Treppe. Sina versuchte, ihr mit dem Strahl ihrer Taschenlampe zu folgen und setzte sich dann selbst in Bewegung. Sie hatte fürchterliche Angst. Die beruhigende Wirkung des Alkohols war längst verflogen. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrt gemacht. Aber das ging natürlich nicht mehr. Nicht, solange Gabriele ihren Hirngespinsten nachjagte.
Sina tastete sich vorsichtig die Stufen hinab. An den Fußtritten ihrer Freundin konnte sie hören, dass Gabriele bereits unten angekommen war. Sina durchfuhr eine Welle der Wut. Was sollte dieses Theater? Wie lange wollte Gabriele Katz und Maus spielen? In dieser Gruft hier konnte so viel passieren, wenn man nicht genau aufpasste. Dass sich nun auch noch mitten in der Nacht Fremde hier herumtrieben, war alles andere als tröstlich.
Sina, im Wechselbad der Gefühle gefangen, beschleunigte ihr Tempo. Sie konzentrierte sich voll auf den zappelnden Taschenlampenstrahl, der vor ihr über die Wände wanderte. Noch vier, fünf große Schritte und sie hatte ihre Freundin erreicht. Mit Gewalt riss sie Gabriele herum, nahm sie in den Schwitzkasten. Die Freundin protestierte, aber diesmal wollte Sina nicht nachgeben. Sie trat ihr die Beine weg und schleifte die wehrlos eingeklemmte Gabriele die Treppe wieder rauf.
Sekunden später zuckten beide erschrocken zusammen. Sina stoppte abrupt. Wieder ein Geräusch! Diesmal vom Bunkereingang! Die Frauen starrten sich entgeistert an. In diesem Moment ein weiteres Geräusch! Jetzt lauter – näher!
Sina ließ ihre Freundin los und zischte: »Nach unten! Schnell!«
»Sag ich doch!«
37
Die beiden liefen die Stufen hinunter. Sie beeilten sich, denn sie wollten möglichst keine Zeit verlieren. Die glatten Absätze, vor denen sie einen solchen Respekt hatten, nahmen sie gerade, als wär es nichts. Atemlos hetzten sie den Flur der mittleren Etage entlang. Mit ihren Taschenlampen erleuchteten sie wahllos die Wände und den Boden vor sich. Bloß weg hier!
Beiden steckte die Angst im Nacken. Bis vor ein paar Minuten war alles wie ein Spiel. Der Alkohol hatte ihnen den Sinn für die Realität geraubt. Alles wirkte unwirklich, unbeschwert. Damit war es schlagartig vorbei. Ganz offensichtlich war ihnen jemand auf die Schliche gekommen. Die Polizei vielleicht, schoss es Sina durch den Kopf. Aber nein, warum sollten die Bullen nachts Jagd auf sie machen? Die hatten wahrlich Besseres zu tun, als betrunkenen Frauen hinterherzuspionieren. Aber wer war es dann? Sollte sich tatsächlich jemand für Gabrieles Bilder interessieren? Diese vermaledeiten Vermeers? Sina konnte sich das einfach nicht vorstellen.
Auf der verzweifelten Suche nach einem
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