Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
Versteck hechteten die Frauen durch den Flur. Sina betätigte einige Türklinken. Aber die waren, wie sie ja eigentlich von ihrem ersten Besuch hier unten genau wusste, fest verschlossen. Trotzdem versuchte sie, jede Tür zu öffnen.
Die Geräusche hinter den Frauen wurden immer deutlicher. Sina und Gabriele bemühten sich, möglichst leise weiterzugehen. Instinktiv zogen sie die Köpfe ein und versuchten, sich klein zu machen.
Der Flur mündete in eine Gabelung. Nach rechts oder nach links? Die Frauen verständigten sich wortlos auf rechts. Aber bereits nach wenigen Metern durch die tiefe Finsternis standen die beiden vor einem unüberwindbaren Hindernis: eine Wand versperrte den weiteren Weg. Sackgasse! Sina fackelte nicht lange und zog Gabriele in die nächstbeste Türnische.
Auf Sinas Zeichen hin knipsten die Frauen ihre Taschenlampen aus. Das Dunkel verschluckte die Umrisse der beiden vollständig. Die Geräusche kamen näher. Es waren Schritte. Schritte eines einzelnen Menschen. Ja, ganz deutlich: tap, tap, tap. Nur einer. Sina verspürte eine gewisse Erleichterung, blieb dennoch angespannt und dicht an die Tür gedrängt stehen.
Nur Augenblicke später geschah etwas, das die Frauen vollends aus dem Konzept brachte. Etwas, durch das sie sich hoffnungslos überrumpelt fühlten. Etwas, mit dem sie in dieser Situation am allerwenigsten gerechnet hatten:
Das Licht ging an.
Das gesamte Stockwerk war mit einem Schlag hell erleuchtet! Geblendet kniffen die beiden Frauen die Augen zusammen und verdeckten ihre Gesichter mit den Armen. Zu grell war die plötzliche Helligkeit.
Und dann wurde ihnen bewusst, dass ihr Versteck keines mehr war!
Sina, die sich als erste einigermaßen an die Taghelle gewöhnt hatte, sah sich hektisch nach der Quelle des starken Lichts um und wurde schnell fündig.
»Bergungslampen! Verdammt, Gabi, überall stehen Bergungslampen! Die Typen müssen schon mal hier gewesen sein!« Sie schlich schnell, aber leise zum Hauptflur, sah um die Ecke und wollte sich vergewissern, ob der Weg frei war. Doch Gabriele kam nicht nach! Wie angewurzelt stand sie noch immer im Türrahmen und hielt die Hände verkrampft vors Gesicht. Sina machte kehrt. Als sie ihre Freundin aus der Ecke zerren wollte, bemerkte sie Gabrieles aschfahle Gesichtsfarbe.
»Um Himmels willen! Was ist los?«
Gabriele schluckte schwer, bevor sie röchelnd hervorbrachte: »Ich glaube, mir wird schlecht.«
»Nicht jetzt, Gabi!«, zischte Sina. Sie nahm ihre Freundin bei der Hand und zog sie bis zur Gabelung zurück. Sie überprüfte ein zweites Mal beide Richtungen. »O. k., die Luft ist rein!«
Diesmal liefen beide nach links. Gabriele hielt ihre Hand fest vor den Mund gepresst. Kaum hatten sie einige Meter zurückgelegt, hörten sie wieder Schritte. Taptap, taptap, taptap. Diesmal waren mehrere zu vernehmen. Und dann – Sina geriet darüber beinahe in Panik – hörten sie noch etwas anderes: Stimmen!
Der Gang knickte nach rechts ab, einige Meter weiter gab es eine andere Abzweigung. Sina schossen flüchtige Gedanken durch den Kopf: verwischte Bilder, frische Erinnerungen. Ja, sie kannte diesen Flur. Hier war sie bereits einmal gewesen. Wenn sie nicht alles täuschte, befanden die beiden sich auf dem direkten Weg zu dem großen Saal, aus dem sie die vielen Akten geholt hatten. Der Raum mit den vermoderten Schaltschränken.
Nach einer weiteren Abbiegung bestätigte sich Sinas Vermutung: Nur fünf Meter vor ihnen war die Eingangstür zur Halle zu sehen. Sie stand weit offen. Auch hier war alles hell erleuchtet. Sina presste den Zeigefinger vor ihre geschlossenen Lippen und bedeutete Gabriele mit einer Geste, ihr leise zu folgen. Die Frauen schlichen behutsam bis zur Tür und wagten einen Blick ins Innere der Halle.
Sina wunderte sich, wie groß der hell erleuchtete Raum war. Noch wesentlich geräumiger, als sie erwartet hatte. Es gab deutlich mehr Aktenschränke als vermutet. Die Frauen hatten im schwachen Licht ihrer Helmlampen etliche übersehen. Und es stand noch mehr antiquierte Technik in diesem Raum. Das Ganze sah aus wie ein gigantisches Forschungslabor aus Opas Zeiten. Sina, von der Fülle der Gegenstände fasziniert, wollte näher treten, als sie Gabrieles energisches Zupfen am Pullover bemerkte.
»Bleib stehen«, zischte ihre Freundin und deutete stumm in die hintere Ecke des Saals. Erst jetzt erkannte Sina die Gefahr: Dort war, nahezu bewegungslos, ein Mann, der ihnen abgewandt stand und sich auf einen Stoß
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