Doberstein & Rubov 01 - Feuerfrauen
gläsern wurden.
»Er war pünktlich – und ich nervös. Ich hatte schon vorher eine Zigarette nach der anderen geraucht.« Sina machte eine kurze Pause. »Und dann stieg ich ein. In seinen Wagen. Mit Zigarette.« Wieder ließ sie zwischen den Sätzen eine Pause. »Was sagt der Mistkerl? Er sagt: ›Sei nicht böse, Sina. Aber in meinem Wagen wird nicht geraucht.‹ Kannst du dir das vorstellen? Du triffst deinen Vater das erste Mal in deinem Leben – und alles, was er zu sagen hat, ist: ›In meinem Wagen wird nicht geraucht‹.«
Gabriele wollte am liebsten im Boden versinken. Sie wusste nicht, womit sie ihre Freundin trösten konnte. Wahrscheinlich war Trost ohnehin genau das, was sie in dieser Situation am allerwenigsten benötigte. Gabriele beschränkte sich auf eine knappe Nachfrage: »Ich nehme an, zu eurem gemeinsamen Essen ist es nicht gekommen?«
»Nein. Bestimmt nicht. Ich bin ausgestiegen. Habe mich umgedreht und bin weggelaufen.«
Eigentlich wollte Gabriele wissen, ob Sina damals geweint hatte. Oder geschimpft. Aber sie fragte nicht danach. Sie wollte plötzlich nur noch ausbrechen aus diesem Gespräch. Diese Geschichte ging ihr nahe. Viel zu nahe. Gabriele sah sich Hilfe suchend um. Ihr Blick fiel auf die umstehenden Geräte. Auf die Computer, auf die undefinierbaren Messapparaturen. Sie erhob sich, musterte die für sie nichtssagenden Dinge scheinbar interessiert. »Was ist das eigentlich?«, fragte sie, um abzulenken.
Sina verstand den Wink. Und es war ihr sogar recht. Sie mochte selbst nicht weiter über ihren Vater reden. Über diesen Mann, der ihr immer fremd blieb. Und der ihr doch so vertraut zu sein schien. Sina erhob sich ebenfalls, ging zu dem Tisch mit den Geräten. »Das, vor dem du gerade stehst, ist eine Workstation.«
Gabriele wunderte sich über den festen Ton in Sinas Stimme. Konnte Sina die Sache wirklich so schnell wegstecken? Egal. Ihr war es schließlich nur recht. »So?«, fragte sie scheinbar unbeschwert. »Das sieht aber aus wie ein ganz normaler Computer.«
»Eine Workstation ist ein Computer. Nur schneller und teurer.«
Bloß nicht nachlassen, dachte Gabriele. Sie deutete auf die nächste Apparatur. »Und das?«
»Der Drucker dazu. Dahinter ein Analog-Digital-Wandler.«
»Und der Kasten«, meinte Gabriele betont unbedarft, »was ist das?«
Sina war wieder ganz bei der Sache. »Ein AM-Empfänger. Dazu jede Menge Verstärkeranlagen und Frequenzfilter.«
»Vielleicht ein Piratensender?«
Sina lachte.
Endlich, dachte Gabriele. Die Sache war überstanden.
»›Radio Nazibunker‹ oder was?«, witzelte Sina.
Gabriele drehte sich schnell dem nächsten Gerät zu. Sie zeigte auf einen großen Bildschirm. »Und dies hier? Noch ein Computerbildschirm?«
»O nein.« Sina strich über den Schirm. So, als handelte es sich um eine Kostbarkeit. »Das ist etwas ganz Besonderes.« Und ergänzte auffordernd: »Drück doch mal auf den kleinen Knopf. Rechts oben.«
Gabriele zögerte einen Moment. »Soll ich wirklich? Mache ich damit nichts kaputt?«
»Quatsch! Drück endlich.«
Gabriele drückte. Der Schirm flackerte auf. Ein Bild erschien. Erst undeutlich, dann klarer. Gabriele glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Das, was sie da zu sehen bekam, war ein Basketballspiel. »Ein – Fernseher? Diese Männer kommen doch nicht nachts hierher, um fernzusehen?«
Sina zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber das ist, zugegeben, ein besonderes Programm. Nix mit ARD und RTL.« Sie drehte den Lautstärkeregler auf. Sätze in breitem Englisch ertönten. Original amerikanische Sportkommentierung! »Das ist der Livebericht eines New Yorker Senders. Irgendwo da draußen, oben im Wald, muss eine Satellitenschüssel stehen. Irre, was? Die holen sich Satelliten-TV in einen Bunker!«
»In diesem Fall würde ich sogar sagen: total irre.« Gabriele knipste den Fernseher aus. »So langsam möchte ich gern wissen, was das alles soll.«
Sina befasste sich mit den Kabeln. »So: Diese beiden noch und die Sache ist endgültig erledigt.« Sie steckte das letzte unverknüpfte Kabelpaar in die dazugehörigen Buchsen, legte die Drähte behutsam beiseite und rieb sich zufrieden die Hände. »Na bitte. Wer sagt’s denn. Wäre ja gelacht gewesen, wenn ich das nicht irgendwie hingekriegt hätte.«
Dann ein Knall. Kurz, laut und scharf.
Beide zuckten zusammen. Aus einer Schalttafel an der Wand sprühten Funken. Sinas Kopf fuhr herum. Auch an anderen Schalttafeln nahm sie Blitze wahr. Und Qualm. Die
Weitere Kostenlose Bücher