Doch die Sünde ist Scharlachrot
Wohlergehen im Sinn, und da sie einen Schlüssel zu Rays Haus besaß – genau wie er zu ihrem –, war es eine Kleinigkeit hineinzugelangen, sobald die Hunde glücklich den Garten erschnupperten. Sie würde nur schnell nach dem Rechten sehen, ohne dass irgendjemand etwas davon bemerkte. Ray war bei der Arbeit, Pete in der Schule. Sie würde das Futter, die Näpfe und eine kurze Nachricht wegen der Hunde hinterlassen und einen schnellen Blick in den Kühlschrank und in den Müll werfen, um sicherzugehen, dass sich keine Pizzakartons oder Einwegverpackungen vom Chinesen oder Inder zwischen dem restlichen Abfall versteckten. Und wenn sie schon einmal da war, wollte sie auch noch Rays Videosammlung inspizieren und dafür sorgen, dass dort nichts Fragwürdiges stand, das Pete in die Hände fallen könnte, und sollte sie Hinweise auf blonde Frauen unter dreißig finden, wie Ray sie bevorzugte, würde sie auch diese beseitigen.
Sie hatte kaum einen Schritt ins Haus gesetzt, als klar wurde, dass ihr Plan sich nicht ohne Weiteres in die Tat würde umsetzen lassen. Zweifellos angezogen von dem ausgelassenen Gebell im Garten, kam jemand die Treppe heruntergepoltert, und einen Moment später fand sie sich Auge in Auge mit ihrem Sohn.
»Mum!«, rief er. »Was machst du denn hier? Sind das die Hunde?«, fragte er und nickte in Richtung Garten.
Bea sah, dass er dabei war, etwas zu essen, und es hätte eine Menge Minuspunkte für seinen Vater bedeutet, hätte sein Snack aus Chips oder Pommes bestanden. Doch er hielt eine Tüte mit Apfelscheiben und Mandeln in der Hand, und sie schienen dem schrecklichen Jungen auch noch zu schmecken. Also konnte sie sich darüber nicht aufregen, sehr wohl aber über die Tatsache, dass er daheim war.
»Die Frage ist wohl eher, was du hier machst«, konterte sie. »Hat dein Vater dir erlaubt, die Schule zu schwänzen? Oder bist du einfach abgehauen? Was ist los? Bist du allein? Oder ist da oben noch jemand bei dir? Was zum Henker treibst du hier?« Bea kannte die typische Karriere; sie begann mit Schuleschwänzen und setzte sich mit Drogenkonsum fort. Drogen führten zu Einbrüchen und Diebstählen. Und die führten ins Gefängnis. Vielen herzlichen Dank auch, Ray Hannaford. Gut gemacht. Vater des Jahres.
Pete trat einen Schritt zurück. Er kaute nachdenklich und betrachtete sie.
»Antworte mir gefälligst«, verlangte sie. »Wieso bist du nicht in der Schule?«
»Schulfrei«, erklärte er.
»Was?«
»Wir haben heute Nachmittag schulfrei, Mum. Lehrerkonferenz oder so was. Ich weiß nicht genau. Ich meine, ich hab's mal gewusst, aber wieder vergessen. Die Lehrer veranstalten irgendwas. Ich hab dir doch davon erzählt. Ich hab den Zettel mit der Benachrichtigung mit nach Hause gebracht.«
Jetzt fiel es ihr wieder ein. Das hatte er tatsächlich, vor ein paar Wochen. Es stand im Kalender. Sie hatte sogar mit Ray darüber gesprochen, und sie hatten debattiert, wer Pete an diesem verkürzten Schultag abholen sollte. Trotzdem war sie nicht gewillt, sich für ihre Verdächtigungen zu entschuldigen. Sie witterte Leichen im Keller, und sie gedachte, sie auszugraben. »Also«, begann sie. »Wie bist du nach Hause gekommen?«
»Dad.«
»Dein Vater hat dich abgeholt? Und wo ist er jetzt? Was machst du hier allein?« Sie war wild entschlossen. Irgendetwas musste doch zu finden sein.
Pete war zu schlau für sie – ganz Sohn seiner Eltern, besaß er die Fähigkeit, den Finger geradewegs auf die Wunde zu legen. »Warum bist du eigentlich immer so sauer auf ihn?«
Das war eine Frage, die zu beantworten Bea nicht bereit war. Vielmehr sagte sie: »Geh, und sag deinen Hunden Hallo. Sie haben Sehnsucht nach dir. Wir reden nachher weiter.«
»Mum …«
»Du hast mich gehört.«
Er schüttelte den Kopf; eine trotzige Teenagergeste, die Missbilligung ausdrückte. Aber er tat, was sie ihm aufgetragen hatte, selbst wenn die Tatsache, dass er keine Jacke anzog, ihr deutlich vor Augen führte, dass er nicht allzu lange im Garten zu bleiben gedachte. Sie hatte also nicht viel Zeit.
Das Haus hatte nur zwei Schlafzimmer. Sie begann mit Rays. Sie wollte nicht, dass Pete irgendwelche Fotos von den Geliebten seines Vaters in eindeutiger Pose sah, den Rücken gewölbt und die Brüste himmelwärts gereckt. Er sollte auch nicht über ihre vergessenen BHs oder Spitzenhöschen stolpern. Und wenn hier anzügliche Notizen oder Briefe herumlagen, gedachte sie diese ebenfalls zu finden. Lippenstift-Kussmünder auf dem
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