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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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Marketingbüro gekommen war, wo er sich ein Werbevideo angesehen hatte. »Was gibt es denn, Kerra?«, hatte Alan gefragt. »Kann ich helfen?« Er hatte sicher und selbstbewusst geklungen, als hätten die vergangenen sechzehn Stunden eine Verwandlung in ihm bewirkt. »Ich bin Kerras Verlobter«, hatte er den Polizisten aufgeklärt. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    Verlobter?, hatte Kerra gedacht. Verlobter? Was war das denn auf einmal?
    Ehe sie die Chance bekam, ihm zu widersprechen, hatte der Constable seine Mitteilung gemacht: Mord. Verschiedene Gegenstände in Santos Kletterausrüstung waren manipuliert worden. Zwei Klemmkeile und eine Schlinge. Die Polizei wolle die Familie zuerst verhören.
    Alan wartete mit der angemessenen Reaktion auf: »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, dass jemand aus der Familie …?«, und er brachte es fertig, gleichzeitig erstaunt und entrüstet zu klingen.
    Jeder, der Santo gekannt habe, werde verhört, erklärte Constable McNulty. Die Aussicht schien ihn in Wallung zu bringen, und Kerra war aufgegangen, wie eintönig und langweilig das Leben des Polizisten in Casvelyn außerhalb der Saison sein musste, wenn drei Viertel der Sommerpopulation fort waren und die Verbliebenen sich entweder zu Hause gegen die atlantischen Stürme verbarrikadierten oder höchstens mal ein kleines Verkehrsdelikt begingen. McNulty erklärte, dass Santos persönliche Gegenstände ausnahmslos untersucht werden müssten. Die Familiengeschichte müsse zusammengestellt werden und …
    Das war genug für Kerra. Familiengeschichte? O ja, die wäre mit Sicherheit erhellend. Die würde alles ans Licht bringen: die Leichen im Keller und die schmutzige Wäsche. Menschen, die unwiderruflich entfremdet waren, und Menschen, die sich einfach nur befremdlich verhielten.
    All das lieferte ihr einen weiteren Grund, sich aufs Rad zu schwingen. Und dann waren da auch noch Cadan und die Unterhaltung mit ihm gewesen, die ihr das Gefühl gegeben hatte, ihr würde in irgendeiner Art und Weise Schuld zugewiesen.
    Nachdem sie mit ihm gesprochen hatte, holte sie ihr Fahrrad. Ihr Vater wartete draußen auf sie, und Alan kam ebenfalls heraus. Sein Ausdruck verriet, dass er die Informationen über Santo weitergegeben hatte. So war es völlig überflüssig, dass er mit den Lippen die Worte Er weiß Bescheid formte, doch genau das tat er. Kerra wollte ihm vorhalten, er habe kein Recht, ihrem Vater irgendetwas zu sagen. Alan war schließlich kein Familienmitglied.
    »Wo willst du hin?«, fragte Ben Kerne Kerra. »Ich möchte, dass du hierbleibst.«
    Er klang erschöpft. Und er sah auch so aus.
    Hast du sie wieder gevögelt?, hätte Kerra am liebsten gefragt. Hat sie ihr winziges rotes Negligé angezogen und mit dem Finger geschnipst, und bist du dahingeschmolzen und hast nichts anderes mehr gesehen? Nicht einmal, dass Santo tot ist? Gute Methode, um es für ein paar Minuten zu vergessen, he? Hat ja prima geklappt. Immer schon.
    Doch sie sagte nichts von alldem, obwohl es sie drängte, ihm wehzutun. Stattdessen erklärte sie: »Ich muss ein Stück fahren. Ich brauche …«
    »Du wirst hier gebraucht.«
    Kerra sah zu Alan. Er beobachtete sie. Zu ihrer Überraschung ruckte er mit dem Kopf in Richtung Straße, um ihr zu bedeuten, sie solle ihre Radtour machen, ganz gleich was ihr Vater wünschte. Obwohl sie sich dagegen sträubte, war sie dankbar für sein Verständnis. Zumindest in diesem Punkt war Alan auf ihrer Seite.
    »Braucht sie irgendwas von mir?«, fragte Kerra ihren Vater.
    Er wandte sich um und schaute zu den Fenstern der Wohnung hinauf. Die Vorhänge des Elternschlafzimmers sperrten das Tageslicht aus. Dahinter verbarg sich Dellen und verarbeitete ihren Kummer auf ihre unnachahmliche Dellen-Art: auf dem zertrümmerten Rückgrat ihrer Lieben.
    »Sie trägt Schwarz«, sagte Kerras Vater.
    »Das wird eine ganze Reihe von Leuten bestimmt schwer enttäuschen«, gab Kerra zurück.
    Ben Kerne sah sie an, und in seinen Augen stand ein solcher Schmerz, dass Kerra ihre Worte für einen Moment bereute. Es ist nicht seine Schuld, fuhr es ihr durch den Kopf. Und doch gab es Dinge, die seine Schuld waren – nicht zuletzt die Tatsache, dass sie überhaupt über ihre Mutter sprachen und dabei gezwungen waren, ein sorgsam gewähltes Vokabular zu verwenden, eine Art Geheimsprache zwischen Vater und Tochter – zwischen zwei unendlich weit voneinander entfernten Kommunikatoren.
    Sie seufzte, denn sie hatte das Gefühl, hier die

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