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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Elizabeth
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»Du stopfst dir den Kopf voll Unsinn.«
    »Das ist nicht fair«, hatte sie erwidert, und ihre Augen waren feucht geworden.
    Schweigend waren sie anschließend nach Casvelyn gefahren. Tammy hatte sich von ihm abgewandt, sodass alles, was er von ihr sehen konnte, ihre trotzige, schmale Kinnlinie war und ihr glanzloses Haar. Sie schniefte. Ihm war klar, dass sie weinte, und er fühlte … Er wusste nicht so recht, was er fühlte. Er verfluchte ihre Eltern, dass sie sie ihm geschickt hatten. Er versuchte doch nur, dem Mädchen zu helfen, es zu dem bisschen Verstand zu bringen, das es noch hatte, ihm klarzumachen, dass es sein Leben leben sollte, statt sich zu vergraben und immer nur über die Taten von Heiligen und Sündern zu lesen.
    Es war Verärgerung, die er fühlte. Mit Trotz konnte er umgehen. Er konnte brüllen und streng sein. Aber Tränen …
    »Das waren alles Lesben, weißt du das eigentlich?«
    »Red doch kein dummes Zeug«, erwiderte sie leise und weinte noch ein bisschen heftiger.
    Das erinnerte ihn an seine Tochter, Nan. An eine Autofahrt und Nan in genau dieser Position, abgewandt von ihm. »Es ist doch nur Exeter«, hatte sie gejammert. »Es ist nur eine Disco, Dad.« Und seine Antwort: »Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst, gibt es solchen Unfug nicht. Also wisch dir die Tränen weg, oder es setzt was.«
    War er wirklich so streng mit ihr gewesen, wo sie doch einzig und allein mit ihren Freundinnen hatte ausgehen wollen? Doch, das war er. Das hatte er sein müssen. Denn damit fing es immer an: ein Zug um die Häuser mit ein paar Freundinnen, und es endete in Schande.
    All das kam ihm jetzt so unschuldig vor. Was hatte er sich nur dabei gedacht, Nan ein paar Stunden Spaß zu verwehren, nur weil er selbst keinen gehabt hatte, als er jung gewesen war?
    Der Tag schleppte sich unerträglich langsam dahin, und Selevans Stimmungsbarometer fiel auf ein Rekordtief. Er war mehr als bereit für die sechzehn Männer von Tain, als endlich die Zeit kam, da er für gewöhnlich im Salthouse Inn einkehrte. Ebenso bereit war er für eine unkomplizierte Unterhaltung unter Männern, und genau die gedachte er mit seinem üblichen Trinkgefährten zu führen, der in der verräucherten Kaminecke im Schankraum des Salthouse Inn schon auf ihn wartete, als er am späten Nachmittag dort eintraf.
    Es handelte sich um Jago Reeth. Er hatte beide Hände um sein Glas Guinness gelegt, die Füße um die Stuhlbeine geschlungen und saß vornüber gebeugt, sodass seine Brille – die an der Schläfe mit einem Stückchen Draht repariert war – auf die Spitze seiner knochigen Nase gerutscht war. Er trug seine übliche Montur aus speckigen Jeans und Sweatshirt, und seine Stiefel waren wie immer grau vom Polystyrolstaub, der in der Surfbrettwerkstatt anfiel. Er hatte das Rentenalter längst erreicht, aber wenn man ihn darauf ansprach, konterte er gerne: Alte Surfer sind eben nicht totzukriegen. Sie suchen sich nur einen anständigen Job, wenn ihre Tage auf dem Wasser vorüber sind.
    Der Grund, warum diese Tage für Jago vorüber waren, war Parkinson. Selevan verspürte stets eine Art ruppiges Mitgefühl für seinen Altersgenossen, wenn er sah, wie dessen Hände zitterten. Aber Jago winkte immer nur ab. »Ich hatte meine gute Zeit«, sagte er gern. »Jetzt sind eben die jungen Leute dran.«
    Darum war er der perfekte Beichtvater für Selevan, und auf die Frage: »Wie geht's?«, berichtete er, sowie er seinen Glenmorangie in Händen hielt, von seinem morgendlichen Zusammenstoß mit Tammy. Jago führte sein Glas an die Lippen. Er brauchte dazu beide Hände, bemerkte Selevan.
    »Wenn das so weitergeht, wird noch eine Lesbe aus ihr«, schloss er seinen Bericht.
    Jago zuckte die Schultern. »Na ja, Kumpel, Kinder muss man das tun lassen, was sie tun wollen. Alles andere bringt nichts als Kummer. Und ob's das wert ist …«
    »Aber ihre Eltern …«
    »Was wissen Eltern schon? Was wusstest du denn, wenn du mal ehrlich bist? Und du hattest – wie viele? Fünf Kinder? Und ich wette, du hattest von Tuten und Blasen keine Ahnung, als du sie großgezogen hast.«
    Er hatte tatsächlich in vielerlei Hinsicht von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt, gestand Selevan sich ein – auch in Bezug auf seine Frau. Er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, wütend darüber zu sein, dass er sich mit dem blöden Milchvieh herumplagen musste, statt das zu tun, was er wirklich wollte: zur Navy gehen, die Welt bereisen, nichts wie raus aus

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