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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wachte er auf, nicht weil der Wind wehte, sondern weil er wie ein Elch pissen musste. Er stand auf, schlurfte ins Bad und betätigte den Lichtschalter neben der Tür.
    In der Wanne lag der Zylinder, und er war voller Blut.
    »Nein«, sagte Dan. »Ich träume.«
    Vielleicht träumte er doppelt. Oder dreifach. Womöglich sogar vierfach. Etwas hatte er Emil Kemmer nämlich verschwiegen: Er hatte Angst, sich irgendwie in einem Labyrinth aus gespenstischen Nachtgedanken zu verirren und nie wieder herauszufinden.
    Ist, was wir scheinen oder schaun, doch nur ein Traum in einem Traum?
    Dies war allerdings real. Der Hut ebenfalls. Außer ihm hätte es niemand gesehen, aber das änderte nichts. Der Hut war real. Es gab ihn irgendwo auf der Welt. Das wusste Dan.
    Aus den Augenwinkeln sah er, dass auf dem Spiegel über dem Waschbecken etwas geschrieben stand. Es war mit Lippenstift geschrieben.
    Ich darf es nicht ansehen.
    Zu spät. Sein Kopf drehte sich unwillkürlich; er hörte die Sehnen in seinem Hals wie alte Türangeln ächzen. Eigentlich war es ohnehin egal. Er wusste, was da stand. Mrs. Massey war verschwunden, Horace Derwent war verschwunden, die waren sicher in den Fächern weit hinten in seinem Geist eingesperrt, aber das Hotel Overlook war immer noch nicht mit ihm fertig. Auf dem Spiegel stand – nicht in Lippenstift, sondern in Blut – ein einziges Wort:
    DROM
    Darunter lag im Waschbecken ein blutbeflecktes Atlanta-Braves-T-Shirt.
    Es wird nie aufhören, dachte Danny. Das Overlook ist abgebrannt, und die schrecklichsten seiner Untoten hab ich in Schließfächer gesteckt, aber mein Shining kann ich nicht wegsperren, weil es nicht nur in mir drin ist – ich bin es selbst . Wenn ich diese Visionen mit Alkohol nicht wenigstens betäube, werden sie weiterhin kommen, bis sie mich in den Wahnsinn treiben.
    Im Spiegel sah er sein Gesicht, vor dem das Wort DROM schwebte, als wäre es ihm wie ein Markenzeichen auf die Stirn geprägt. Das war kein Traum. In seinem Waschbecken lag das T-Shirt eines ermordeten Kindes, in seiner Badewanne ein Hut voller Blut. Der Wahnsinn kam. Dan konnte in seinen hervorquellenden Augen sehen, wie er sich näherte.
    Dann, wie der Lichtstrahl einer Taschenlampe im Dunkeln, die Stimme von Hallorann: Junge, du siehst zwar Dinge, aber die sind wie Bilder in einem Buch. Du warst als Kind im Overlook nicht hil fl os, und das bist du jetzt auch nicht. Ganz im Gegenteil. Mach die Augen zu, und wenn du sie wieder öffnest, wird dieser ganze Mist verschwunden sein.
    Er schloss die Augen und wartete. Er versuchte, die Sekunden abzuzählen, schaffte es jedoch nur bis vierzehn, bevor die Zahlen in der dröhnenden Verwirrung seiner Gedanken verloren gingen. Fast erwartete er, dass sich Hände – vielleicht die des Hutbesitzers – um seinen Hals schlossen. Aber er blieb stehen. Schließlich konnte er nirgendwo anders hin.
    Nachdem er all seinen Mut zusammengenommen hatte, öffnete Dan die Augen. Die Wanne war leer. Das Waschbecken war leer. Auf dem Spiegel stand nichts geschrieben.
    Aber es wird wiederkommen. Das nächste Mal sind es vielleicht ihre Schuhe – diese Korksandaletten. Oder ich sehe sie in der Wanne liegen. Gut möglich. Mrs. Massey habe ich ja auch so gesehen, und die beiden sind auf dieselbe Weise gestorben. Nur dass ich Mrs. Massey nie ihr Geld geklaut und mich dann aus dem Staub gemacht habe.
    »Ich habe einen Tag durchgehalten«, erklärte er dem leeren Zimmer. »Immerhin.«
    Ja, und obwohl es ein verflucht harter Tag gewesen war, war es auch ein verflucht guter Tag gewesen, das gab er gern zu. Die Tage waren nicht das Problem. Was die Nächte anging …
    Die Gedanken waren eine Schultafel. Schnaps war der Schwamm.
    19
    Bis sechs lag Dan wach im Bett. Dann zog er sich an und marschierte wieder zum Supermarkt. Diesmal zögerte er nicht, bloß statt zwei Flaschen aus dem Kühlregal zu nehmen, nahm er gleich drei. Wie hieß es doch? Geh aufs Ganze oder geh nach Hause. Der Kassierer steckte die Flaschen kommentarlos in eine Tüte; er war an frühe Weinkäufer gewöhnt. Dan schlenderte zum Stadtpark, setzte sich auf eine der Bänke von Teenytown, nahm eine der Flaschen aus der Tüte und blickte darauf hinab wie Hamlet auf Yoricks Schädel. Durch das grüne Glas sah der Inhalt wie Rattengift aus statt wie Wein.
    »Das sagst du, als ob’s was Schlechtes wäre«, sagte Dan und schraubte die Kappe ein Stück weit auf.
    Diesmal war es seine Mutter, die sich meldete. Wendy Torrance, die bis zum

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