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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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deren Milchglasscheibe STÄDTISCHE DIENSTE FRAZIER stand. »Kommen Sie rein. Reden wir darüber.«

Kapitel zwei
    BÖSE ZAHLEN
    1
    Die alte Dichterin mit dem italienischen Vornamen und dem amerikanischen Familiennamen saß mit ihrer schlafenden Urenkelin auf dem Schoß da und sah sich das Video an, das der Mann ihrer Enkelin drei Wochen zuvor im Entbindungsraum aufgenommen hatte. Es begann mit einer Titelkarte: ABRA BETRITT DIE WELT! Die Aufnahmen waren wacklig, und David hatte sich von allem allzu Medizinischen ferngehalten (Gott sei Dank), aber Concetta Reynolds sah die schweißnass an Lucias Stirn klebenden Haare, hörte sie »Tu ich doch!« schreien, als eine der Schwestern sie aufforderte zu pressen, und sah die Blutstropfen auf dem blauen Laken – nicht viele, gerade genug, das zu demonstrieren, was Chettas eigene Großmutter als »gute Leistung« bezeichnet hätte. Auf italienisch natürlich.
    Das Bild zitterte, als endlich das Baby in Sicht kam, und Chetta spürte, wie ihr eine Gänsehaut über Rücken und Arme lief, als Lucy schrie: »Sie hat kein Gesicht!«
    David, der neben Lucy auf dem Sofa saß, gluckste. Denn natürlich hatte Abra doch ein Gesicht, ein sehr süßes sogar. Chetta blickte darauf hinab, als wollte sie sich dessen vergewissern. Als sie wieder aufblickte, wurde das neugeborene Baby seiner Mutter in die Arme gelegt. Dreißig oder vierzig verwackelte Sekunden später erschien eine zweite Titelkarte: ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG, ABRA RAFAELLA STONE!
    David drückte die rote Taste auf der Fernbedienung.
    »Du gehörst zu den ganz wenigen Leuten, die das jemals zu sehen bekommen«, verkündete Lucy mit fester, unerbittlicher Stimme. »Es ist peinlich.«
    »Es ist wunderbar«, sagte Dave. »Und es gibt eine Person, die es bestimmt zu sehen bekommt, nämlich Abra selbst.« Er warf einen kurzen Seitenblick auf seine Frau. » Wenn sie alt genug ist. Und nur wenn sie es will, natürlich.« Er tätschelte Lucy den Oberschenkel, dann grinste er seine Schwiegeroma an, eine Frau, die er respektierte, jedoch nicht besonders mochte. »Bis dahin kommt es ins Bankschließfach zu den Versicherungspolicen, den Unterlagen vom Haus und meinen Drogenmillionen.«
    Concetta lächelte zur Bestätigung, dass sie den Scherz verstanden hatte, aber sie lächelte nur dünn, um auszudrücken, dass sie ihn nicht besonders witzig fand. Abra auf ihrem Schoß schlief tief und fest. In gewisser Weise wurden alle Babys mit einer Glückshaube geboren, dachte sie, denn deren winzige Gesichter waren Schleier aus Geheimnissen und Möglichkeiten. Vielleicht war das etwas, worüber sie schreiben sollte. Vielleicht auch nicht.
    Concetta war im Alter von zwölf Jahren nach Amerika gekommen und sprach perfekt englisch – nicht weiter überraschend, da sie es am Vassar College studiert hatte und emeritierte Professorin ebendieses Fachs war –, aber in ihrem Kopf waren jeder Aberglaube und jede Altweibergeschichte noch lebendig. Manchmal gaben diese Elemente in ihrem Innern ihr Befehle, und wenn sie das taten, sprachen sie immer italienisch. Chetta fand, dass die meisten Künstler ausgesprochen funktionstüchtige Schizophrene waren, sie selbst eingeschlossen. Sie wusste zwar, dass Aberglaube völliger Blödsinn war, trotzdem spuckte sie zwischen ihre Finger, wenn eine Krähe oder eine schwarze Katze ihren Weg kreuzte.
    Einen Großteil ihrer eigenen Schizophrenie verdankte sie den Barmherzigen Schwestern. Die glaubten an Gott, sie glaubten an die Göttlichkeit von Jesus, sie glaubten, Spiegel wären verhext und einem Kind, das zu lange in einen hineinsah, würden Warzen wachsen. Es waren die Frauen, die zwischen Chettas achtem und dreizehntem Lebensjahr den größten Einfluss auf ihr Leben ausgeübt hatten. Sie hatten Lineale in den Gürteln stecken – zum Schlagen, nicht zum Messen –, und sie sahen kein Kinderohr, ohne das Bedürfnis zu verspüren, im Vorübergehen daran zu ziehen.
    Lucy streckte die Arme nach dem Baby aus. Widerstrebend überreichte Chetta es ihr. Die Kleine war einfach goldig.
    2
    Zwanzig Meilen südöstlich des Ortes, an dem Abra in den Armen von Concetta Reynolds geschlafen hatte, saß Dan Torrance bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker, während irgendeine Tusse gerade über Sex mit ihrem Ex schwadronierte. Casey Kingsley hatte ihm aufgetragen, innerhalb von neunzig Tagen an neunzig Meetings teilzunehmen, und dieses, ein Mittagstermin im Untergeschoss der Methodistenkirche von Frazier, war sein achtes. Er saß

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