Doctor Sleep (German Edition)
welches der beste Ort für einen neuen Brunnen als Viehtränke war oder wo eine entlaufene Kuh sich hingetrollt hatte oder wo der Verlobungsring seiner Mutter gewesen war, als sie ihn verloren hatte. Schau unter der Fußmatte im Auto nach, hatte er gesagt, und da hatte das Ding tatsächlich gelegen.
An diesem Tag lief es im Training besonders gut, aber während der anschließenden Teambesprechung war Brad irgendwie in den Wolken. Als man ihm eine Limo aus dem mit Eis gefüllten Kübel anbot, lehnte er ab. Er sagte, er wolle lieber nach Hause, um seiner Mutter zu helfen, die Wäsche abzuhängen.
» Wird es denn regnen?«, fragte Coach Micah Johnson. Inzwischen vertrauten sie ihm alle, was solche Dinge anging.
»Keine Ahnung«, sagte Brad teilnahmslos.
» Was ist denn los, Junge? Du siehst irgendwie krank aus.«
Brad ging es tatsächlich nicht gut. Als er am Morgen aufgewacht war, hatte er Kopfschmerzen gehabt und sich ziemlich fiebrig gefühlt. Allerdings war das nicht der Grund, weshalb er jetzt nach Hause gehen wollte; er hatte einfach das Gefühl, nicht länger auf dem Baseballplatz sein zu wollen. Seine Gedanken schienen ihm irgendwie nicht selber zu gehören. Er war sich nicht sicher, ob er tatsächlich da war oder alles nur träumte – was ihm völlig irre vorkam. Abwesend kratzte er an einem roten Fleck an seinem Unterarm. »Morgen zur selben Zeit, stimmt’s?«
Coach Johnson sagte, ja, so sei es geplant, und Brad ging davon, den Handschuh schlaff in der Hand. Normalerweise joggte er nach Hause – das taten sie alle –, aber heute fühlte er sich nicht danach. Der Kopf tat ihm immer noch weh, und nun schmerzten auch noch die Beine. Er schlug sich in das Maisfeld hinter der Tribüne, um eine Abkürzung zu der zwei Meilen weit entfernten Farm zu nehmen. Als er auf der Town Road D wieder herauskam und sich mit einer langsamen, träumerischen Handbewegung Spinnweben aus den Haaren strich, wartete ein mittelgroßer WanderKing mit laufendem Motor auf dem Schotter. Daneben stand lächelnd Barry the Chink.
»Na, da bist du ja«, sagte Barry.
» Wer sind Sie?«
»Ein Freund. Steig ein. Ich bringe dich nach Hause.«
»Okay«, sagte Brad. So, wie er sich fühlte, ließ er sich gern mitnehmen. Er kratzte an dem roten Fleck auf seinem Arm. »Sie sind Barry Smith. Sie sind ein Freund von mir. Ich werde einsteigen, und Sie bringen mich nach Hause.«
Er kletterte in das Wohnmobil. Die Tür ging zu. Der WanderKing fuhr davon.
Am nächsten Tag war die ganze County auf den Beinen und suchte nach dem besten Schlagmann der Adair All-Stars. Ein Sprecher der State Police forderte die Bürger auf, sämtliche auffälligen Pkws und Kleinbusse zu melden. Es trafen viele entsprechende Berichte ein, die jedoch allesamt zu nichts führten. Und obwohl die drei Wohnmobile mit den Findern wesentlich größer waren als Kleinbusse (das von Rose the Hat war sogar regelrecht riesig), meldete niemand ihr Erschei nen. Schließlich waren das die Wohnmobilleute, die gemeinsam durchs Land zogen. Brad war einfach … verschwunden.
Wie Tausende andere unglückselige Kinder war er verschluckt worden, scheinbar mit einem einzigen Biss.
9
Sie brachten ihn in eine verlassene Ethanolfabrik, die mehrere Meilen vom nächsten Farmhaus entfernt war. Crow trug den Jungen auf den Armen aus Rose’ EarthCruiser und legte ihn behutsam auf den Boden. Brad war mit Klebeband gefesselt und weinte. Als der Wahre Knoten sich um ihn versammelte (wie Trauernde an einem offenen Grab), sagte er: »Bitte bringt mich nach Hause. Ich verrate es niemand.«
Rose sank neben ihm auf ein Knie und seufzte. »Das würde ich gern tun, Junge, aber es geht nicht.«
Sein Blick fand Barry. »Du hast gesagt, du wärst einer von den Guten! Ich hab’s gehört! Du hast es gesagt! «
»Tut mir leid, Kumpel.« Barry sah allerdings nicht so aus, als täte es ihm leid. Er sah hungrig aus. »Nimm’s nicht persönlich.«
Brad richtete den Blick wieder auf Rose. » Werdet ihr mir wehtun? Bitte tut mir nicht weh.«
Natürlich würden sie ihm wehtun. Das war bedauerlich, aber der Schmerz reinigte den Steam, und die Wahren mussten essen. Auch Hummer verspürten Schmerz, wenn man sie in einen Topf mit kochendem Wasser warf, aber das hielt die Tölpel nicht davon ab, es zu tun. Essen war Essen, und Überleben war Überleben.
Rose verbarg die Hände hinter dem Rücken. In eine davon legte Greedy G ein Messer. Es war kurz, aber sehr scharf. Rose blickte lächelnd auf den Jungen hinab
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