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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gewusst hatten, als Abra wusste, und was wusste die schon? Nicht einmal, »wie unsere Regierung funktioniert«.
    Was dachten wohl die Eltern dieser vermissten Kinder? Wie schafften sie es, mit dem Leben fortzufahren? Waren Cynthia oder Merton oder Angel das Erste, woran sie morgens dachten, und das Letzte, was ihnen abends in den Sinn kam? Hielten sie das Zimmer ihres Kindes bereit, falls es nach Hause kam, oder hatten sie all seine Kleider und Spielsachen einer Wohlfahrtseinrichtung gespendet? Abra hatte gehört, dass die Eltern von Lennie O’Meara so gehandelt hatten, als Lennie vom Baum gefallen, mit dem Kopf auf einem Stein aufgeschlagen und gestorben war. Lennie O’Meara, der es bis zur fünften Klasse geschafft hatte, als sein Leben einfach … stehen geblieben war. Aber Lennies Eltern wussten natürlich, dass er tot war, es gab ein Grab, das sie aufsuchen konnten, um Blumen daraufzulegen, und vielleicht änderte das die Sache. Vielleicht auch nicht, aber Abra dachte, es müsste eigentlich so sein. Sonst müssten die Eltern sich ja ständig Fragen stellen, oder etwa nicht? Wenn sie zum Beispiel beim Frühstück saßen, würden sie sich fragen, ob ihr vermisstes Kind
    (Cynthia Merton Angel)
    ebenfalls irgendwo beim Frühstück saß oder seinen Drachen steigen ließ oder zusammen mit einem Haufen Einwanderer Orangen pflückte oder wer weiß was. Im Hinterkopf waren sie sich wohl ziemlich sicher, dass ihr Kind tot war, denn das war mit den meisten passiert (um das zu wissen, musste man nur die Nachrichten einschalten), aber ganz sicher konnten sie sich nicht sein.
    An der Ungewissheit, die die Eltern von Cynthia Abelard und Merton Askew empfanden, konnte Abra nichts ändern, weil sie keine Ahnung hatte, was mit den beiden geschehen war, aber bei Bradley Trevor verhielt es sich anders.
    Sie hatte ihn fast vergessen gehabt, aber dann hatte sie diese dämliche Zeitung gesehen … diese dämlichen Bilder … und alles war wieder zurückgekommen, sogar Sachen, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie wusste. Als ob die Bilder aus ihrem Unterbewusstsein aufgeschreckt worden wären …
    Und dann das, was sie tun konnte. Dinge, von denen sie ihren Eltern nie erzählt hatte, weil die sich sonst Sorgen gemacht hätten, so wie sie auch besorgt gewesen wären, wenn sie gewusst hätten, dass Abra eines Tages nach der Schule mit Bobby Flannagan geknutscht hatte – bloß ein bisschen, keine Zungenküsse oder sonst was Ekliges. Das war etwas, was sie bestimmt nicht wissen wollten. Abra vermutete (womit sie nicht ganz unrecht hatte, obgleich keinerlei Telepathie beteiligt war), dass sie nach Ansicht ihrer Eltern sozusagen im Alter von acht Jahren eingefroren war und wahrscheinlich mindestens so lange nicht auftauen würde, bis sie Busen bekam, was definitiv noch nicht der Fall war – jedenfalls merkte man nichts davon.
    Bisher hatten sie noch nicht einmal über DAS THEMA mit ihr gesprochen. Julie Vandover behauptete, es sei fast immer die Mutter, die einen aufklärte, aber die einzige Aufklärung, die Abra in letzter Zeit bekommen hatte, bezog sich darauf, wie wichtig es sei, dass sie am Donnerstagmorgen die Mülltonnen rausstelle, bevor der Bus komme. »Du musst ja sonst nicht viel im Haushalt helfen«, hatte Lucy gesagt. »Und in diesem Herbst ist es besonders wichtig, dass wir uns alle am Riemen reißen.«
    Momo hatte sich immerhin DEM THEMA angenähert. Im Frühjahr hatte sie Abra eines Tages beiseitegenommen und gefragt: » Weißt du, was die Jungs von den Mädchen wollen, sobald Jungs und Mädchen in dein Alter kommen?«
    »Sex wahrscheinlich«, hatte Abra gesagt … obwohl der demütige, verhuschte Pence Effersham anscheinend nichts anderes von ihr wollte als einen ihrer Kekse futtern, einen Quarter für den Verkaufsautomaten leihen oder ihr erzählen, wie oft er schon The Avengers gesehen habe.
    Momo hatte genickt. »Das kann man der menschlichen Natur nicht übel nehmen, die ist, wie sie ist, aber lass die Finger davon. Basta. Weitere Diskussionen überflüssig. Wenn du neunzehn bist, kannst du wieder darüber nachdenken, wenn du willst.«
    Das war irgendwie peinlich gewesen, aber zumindest geradeheraus und klar. An dem Ding in ihrem Kopf war überhaupt nichts klar. Das war ihr Muttermal, unsichtbar, aber real. Ihre Eltern sprachen nicht mehr über das abgedrehte Zeug, das während Abras ersten Lebensjahren passiert war. Vielleicht meinten sie, das Ding, das dieses Zeug verursacht habe, sei inzwischen so

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