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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gut wie verschwunden. Klar, Abra hatte gewusst, dass Momo krank war, aber das war nicht dasselbe wie diese irre Klaviermusik, das im Badezimmer laufende Wasser und die Geburtstagsparty (an die sie sich kaum erinnerte), bei der sie massenhaft Löffel an die Küchendecke gehängt hatte. Sie hatte eben gelernt, es zu beherrschen. Nicht vollständig, aber doch weitgehend.
    Außerdem hatte es sich verändert. Nun sah sie kaum noch Dinge, bevor sie geschahen, und sie bewegte auch kein Zeug mehr durch die Gegend. Mit sechs oder sieben Jahren hätte sie sich nur auf ihren Stapel Schulbücher konzentrieren müssen, um ihn bis zur Decke zu heben. Ohne jede Anstrengung. Das war nicht schwerer, als Nudeln zu kochen, wie Momo es gern ausdrückte. Nun musste sie sich selbst bei einem einzigen Buch konzentrieren, bis es sich anfühlte, als würde ihr das Gehirn aus den Ohren spritzen, und auch dann schaffte sie es nur, das Ding ein paar Zentimeter weit über den Tisch zu schieben. So lief es an guten Tagen. Oft schaffte sie es nicht einmal, die Seiten zum Flattern zu bringen.
    Aber es gab andere Dinge, zu denen sie durchaus fähig war, in vielen Fällen sogar wesentlich besser als damals als kleines Kind. Zum Beispiel in den Kopf anderer Leute zu schauen. Das klappte nicht bei jedem – manche Leute waren vollständig abgeriegelt, andere sandten nur unregelmäßige Blitze aus –, aber viele waren wie Fenster mit offenen Vorhängen. In die konnte sie jederzeit hineinblicken, wenn sie Lust dazu hatte. Meistens wollte sie das allerdings gar nicht, denn das, was sie dort entdeckte, war manchmal traurig und oft schockierend. Herauszufinden, dass Mrs. Moran, ihre geliebte Lehrerin in der sechsten Klasse, eine AFFÄRE hatte, war bislang der größte Knaller gewesen, und zwar keiner von der angenehmen Sorte.
    Inzwischen ließ sie den sehenden Teil ihres Geistes meistens abgeschaltet. Zu lernen, das zu tun, war zuerst schwierig gewesen, so etwa wie zu lernen, rückwärts Schlittschuh zu laufen oder mit der linken Hand zu schreiben, aber sie hatte es geschafft. Perfekt war sie durchs Üben zwar nicht geworden (zumindest noch nicht), aber es half. Sie blickte zwar immer noch manchmal in andere Menschen hinein, aber immer ganz vorsichtig und jederzeit bereit, sich beim ersten Anzeichen von etwas Bizarrem oder Ekligem zurückzuziehen. In den Kopf ihrer Eltern oder den von Momo spähte sie grundsätzlich nie . Das wäre falsch. Wahrscheinlich war es bei jedem Menschen falsch, aber wie Momo selbst gesagt hatte: Man konnte der menschlichen Natur nichts übel nehmen, und nichts war menschlicher als Neugier.
    Manchmal gelang es Abra, Leute dazu zu bringen, bestimmte Dinge zu tun. Nicht jeden, nicht einmal die Hälfte von allen, aber viele Leute waren sehr empfänglich für Suggestionen. (Wahrscheinlich waren das dieselben, die meinten, der Kram, den man im Fernsehen verkaufe, würde tatsächlich ihre Falten glätten oder ihnen neue Haare wachsen lassen.) Abra wusste, dass sie diese Gabe fördern konnte, wenn sie sie wie einen Muskel trainierte, doch das tat sie nicht. Sie machte ihr Angst.
    Es gab noch andere Dinge, für die sie teilweise keinen Namen wusste, aber das, woran sie jetzt gerade dachte, hatte einen. Sie nannte es Weitsehen. Wie die anderen Aspekte ihrer besonderen Gabe war es manchmal vorhanden und manchmal nicht, aber wenn sie es wirklich wollte – und wenn es ein Objekt gab, auf das sie es richten konnte –, dann war sie normalerweise in der Lage, es zu aktivieren.
    Das könnte ich auch jetzt tun.
    »Halt die Klappe, Abba-Doo«, sagte sie mit leiser, angestrengter Stimme. »Halt die Klappe, Abba-Doo-Doo.«
    Sie schlug in ihrem Algebra-Buch die Seite mit den heutigen Hausaufgaben auf, die sie mit einem Blatt Papier gekennzeichnet hatte. Auf dieses Blatt hatte sie mindestens zwanzigmal die Namen Boyd, Steve, Cam und Pete geschrieben. Das waren die vier Mitglieder von ’Round Here, ihrer liebsten Boygroup. Unheimlich geil waren die, besonders Cam. Emma Deane, ihre beste Freundin, fand das auch. Diese blauen Augen, dieses strubbelige blonde Haar!
    Vielleicht könnte ich helfen. Seine Eltern wären traurig, aber sie wüssten dann wenigstens Bescheid.
    »Klappe, Abba-Doo. Klappe, du hirnlose Pflaume!«
    Wenn 5x – 4 = 26, wie groß ist dann x?
    »Sechzig Zillionen!«, sagte sie. » Wen interessiert das schon groß.«
    Ihr Blick fiel auf die Namen der süßen Jungs von ’Round Here, geschrieben in der rundlichen Kursivschrift, die

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