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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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ihrer Ankunft begann der erste Arbeitstag für meine Mutter und ihre Freundin Kalbiye. Der Tag verging natürlich sehr schnell, denn die Frauen hatten eine Menge neuer Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten. Insgesamt gestaltete sich die Arbeitssituation und die Atmosphäre in der Fabrik trotz des dort herrschenden starken Lärms recht entspannt. Noch heute berichtet meine Mutter durchweg Positives von ihrem Arbeitsalltag in Österreich.
    Das Einzige, was ihr wirklich missfiel, war die Bezahlung. Sie verdiente für ihre Tätigkeit 350 Schilling pro Woche, das entspricht heute etwa 25 Euro. Am Ende des Monats gab es dann noch eine zusätzliche Gehaltsauszahlung von 1000 Schilling (etwa 70 Euro). Von diesem Geld konnte sie sich wahrlich keine Sprünge leisten, wenn man bedenkt, dass der Wintermantel, den meine Mutter sich schließlich gönnte, 750 Schilling kostete. Mit anderen Worten: Sie musste über zwei Wochen arbeiten, um ihn sich leisten zu können. Ein regelrechtes «Schnäppchen» waren dagegen ihre dringend benötigten Winterstiefel – sie kosteten lediglich 350 Schilling.

    Doch wie sah ihre Freizeit aus? Welcher Spagat war hier – kulturell gesehen – noch zu leisten? Felixdorf gehört zum Bezirk Wiener-Neustadt Land und ist die jüngste Gemeinde Niederösterreichs. Es wurde 1821 gegründet, um das unfruchtbare Land nutzbar zu machen. In Felixdorf leben heute etwas über 4000 Menschen, der Ort ist also nicht mit der Metropole Istanbul zu vergleichen. Als meine Mutter dort arbeitete, machte Felixdorf seinem Namen alle Ehre – es war tatsächlich ein kleines Dorf. Die gesamte Infrastruktur bestand aus einem Apotheker, einem Arzt und einem kleinen Laden. Ringsherum gab es nichts als Wald und Natur. Für denjenigen, der aus Istanbul kam, erschien Felixdorf wie ein Kurort mit Erholungswert.
    Da meine Mutter und ihre Freundin häufig auch samstags arbeiteten, blieb ihnen nur der Sonntag, um all die Dinge zu erledigen, die alle berufstätigen Menschen erledigen müssen, z.B. Wäsche waschen. Eine Waschmaschine gab es in der Unterkunft nicht. Die Wäsche wurde von Hand in einer Zinkwanne gewaschen und im Wohnraum getrocknet. Zumindest die kleinen Teile. Einmal im Monat durften sie die Gemeinschaftswaschküche benutzen. Hier wurden dann die Bettlaken gewaschen und es gab – welch ein Luxus – eine Wäscheschleuder.
    Das sonntägliche Waschritual meiner Mutter diente auch dazu, die Sehnsucht nach ihren Kindern und ihrem Mann zu unterdrücken. Doch gerade manuelle Arbeiten, bei denen der Geist nicht gebraucht wird, sind bestens dazu angetan, die Gedanken kreisen zu lassen. Ich habe meine Zweifel, ob es nicht gerade die freien Tage waren, an denen meine Mutter ihre Familie nicht aus dem Kopf bekam.
    Ein ausführliches Telefongespräch mit der Heimat verbot sich, denn die Kosten dafür waren viel zu hoch, und die E-Mail- und SMS-Korrespondenz wurde selbstverständlich erst sehr viel später erfunden. Als einziges Kommunikationsmittel blieb der Brief – Sonntag war also auch der Tag des Schreibens. Mein Vater war ein mindestens ebenso treuer Briefeschreiber, sodass meine Eltern auf diese Weise ständig in Kontakt blieben und sich gegenseitig über ihr Leben und alle Neuigkeiten auf dem Laufenden hielten. Ich glaube, meine Mutter und mein Vater kannten jeden Brief auswendig, den sie voneinander erhielten.
    Nach einer kurzen Einarbeitungsphase sprach meine Mutter mit Hilfe des Dolmetschers ihren direkten Vorarbeiter an. Sie hatte erfahren, dass bei der Textilfabrik weiterer Bedarf an Arbeitskräften bestand und wollte sich erkundigen, ob ihr Mann eingestellt werden könnte. Der Vorarbeiter unterstützteihr Anliegen und sorgte dafür, dass ein Antrag für ein Visum beim österreichischen Konsulat in Istanbul gestellt wurde.
    Wenn meine Mutter erwartet hatte, dass es irgendwelche Probleme geben würde, wurde sie eines Besseren belehrt. Die Dinge fügten sich und mein Vater bekam das notwendige Arbeitsvisum für die Textilfabrik. Nach vier langen Monaten fern von seiner Frau durfte er sich mit uns kleinen Kindern auf die lange Reise nach Österreich begeben. Natürlich benötigte er ebenfalls den Infektionsfreiheitsschein und musste sich der entsprechenden Untersuchung unterziehen. Für ihn als gesunden jungen Mann stellte sie keine Hürde dar.
    Vor dem Abschied von Istanbul musste noch der gut laufende Kiosk verkauft werden. Zum Glück gab es so viele Stamm- und Laufkunden, dass schnell ein Käufer gefunden war. Die

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