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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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Verabschiedung mit all den Vorbereitungen für einen Umzug war für meine Tante mit viel Trauer verbunden. Ihr Bruder, den sie schon immer versorgt hatte, wollte wegziehen und nahm auch die beiden Kinder mit, die sie bis dahin vorbildlich versorgt hatte und innig liebte. Die bevorstehende Familienzusammenführung hatte für sie ihre Schattenseite.

    Schließlich kam der Tag der Abreise. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie mein Vater die Situation damals gemeistert hat. Er war zwar sehr fürsorglich, doch fehlte ihm das notwendige «Knowhow» für so kleine Kinder. Schließlich führten und führen meine Eltern das klassische Modell einer Ehe: Meine Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder und ging noch dazu arbeiten. Mein Vater ging arbeiten und spielte mit uns. So dürfte wohl meine «Supernannytante» für uns eine Tasche mit Lebensmitteln nach der anderen gepackt haben.
    Nach der Verabschiedungszeremonie am Bahnhof ging es nun endlich Richtung Österreich zurFamilienzusammenführung. Ich weiß nicht, wie es meinem Vater möglich war, das gesamte Gepäck zu verstauen. Wir saßen in einem Abteil mit drei alleinreisenden Migranten. Da auch im Zug eine strikte Trennung der Geschlechter vorherrschte, saßen die Frauen in anderen Abteilen. Zwei der mitreisenden Männer ergriffen die Flucht, als sie meinen Vater mit uns (meinem dreijährigen Bruder und mir neun Monate altem Baby) ins Abteil hereinkommen sahen. Sie ahnten schon, dass dies keine besinnliche Fahrt werden würde.
    Kurz nach der Abfahrt ging es los. Mein Bruder bekam Hunger und Durst. Dann musste er auf die Toilette. Solange ich schlief, war das alles kein Problem, denn dann konnte sich mein Vater gänzlich auf ihn einstellen. Zum Glück war mein Bruder Ercan von Natur aus ein liebes, genügsames und zufriedenes Kind. Solange seine Grundbedürfnisse gestillt waren und er sein Spielzeuggewehr geschultert und seine Blechlok in der Hand hielt, war die Welt für ihn in Ordnung.
    Wie gesagt, solange ich schlief, herrschte Ruhe. Neun Monate alte Babys sind so friedlich, wenn sie schlafen. Irgendwann jedoch wacht selbst das friedlichste Kind auf. Das tat auch ich und fing augenblicklich an zu schreien. Und ich hörte nicht auf zu schreien. Der letzte mitreisende Gastarbeiter flüchtete auf den Gang. Da meinem Vater klar war, dass ich Hunger hatte, rührte er mit dem mitgebrachten heißen Wasser aus einer Thermoskanne meinen Brei an. Doch den wollte ich nicht. Mein Vater konnte anstellen, was er wollte. Also machte er sich daran, die damals üblichen Nesselwindeln zu wechseln. Doch auch dadurch konnte er mich nicht beruhigen. Als Nächstes konstruierte er mit einer Wäscheleine und einer Decke eine Hängematte und spannte sie zwischen einem Koffer und der Gepäckablage quer durch das Abteil. In dieser Hängematte lag ich zwar bequem, doch war das noch lange kein Grund, mit dem Schreien aufzuhören. Mittlerweile warmein Brüllen auch in den angrenzenden Abteilen nicht mehr zu überhören.
    Zwei mitleidige weibliche Fahrgäste folgten dem Geschrei und baten meinem überforderten Vater ihre Hilfe an. Er ließ sie dankbar gewähren. Nachdem sie ebenfalls versucht hatten, mich zu füttern, wurde meine Windel erneut geöffnet. Ich schrie mich fast ohnmächtig. Daraufhin begann eine der Frauen damit, mir den Bauch zu massieren. Mein Geschrei ließ ein wenig nach, anscheinend war mein Bauch verkrampft. Viele kreisende Massagebewegungen lockerten schließlich die Verkrampfungen. Warmer Kräutertee wurde auf einem Gaskocher erwärmt und mir eingeflößt. Der Schreikrampf ließ nach und mein Vater hätte den beiden Frauen vermutlich am liebsten die Füße geküsst. Sie übernahmen für die restliche Fahrtzeit die Patenschaft für uns Kinder. Noch heute bezeichnet mein Vater die beiden unbekannten Frauen als «Engel».
    Völlig erschöpft kamen wir nach einer unendlich lang erscheinenden Bahnfahrt im Felixdorfer Bahnhof an. Ich lag ziemlich versteckt unter etlichen Decken in einem Weidenkorb, der als Bettchen diente. Nachdem meine Mutter meinen Bruder minutenlang geküsst hatte, schrie sie meinen Vater an. «Wo ist mein Baby?» Er deutete auf den Korb, in dem ich nun ganz friedlich schlief. Die Gefühle meiner Mutter brauche ich wohl an dieser Stelle nicht zu beschreiben. Die barmherzigen Engel winkten zum Abschied aus dem Zugfenster und ich hoffe, sie haben ihr Glück in der Ferne gefunden.

    Nun war die junge Familie endlich wieder vereint. Meine Eltern bekamen

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