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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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der Regel arbeitet sie nach dem Unterricht am Berufskolleg und an den Wochenenden. Die Arbeit mache ihr sehr viel Freude und die Zeit würde immer sehr schnell vergehen – im Vergleich zu der Zeit in der elterlichen Wohnung. Ihre Eltern versuchten Demet zunächst davon abzuhalten, diesen Job zu übernehmen, weil ihre Tochter teilweise erst gegen 22 Uhr wieder zu Hause ist und abends noch öffentliche Verkehrsmittel benutzen muss. Doch Demet konnte sich gegen ihren Widerstand durchsetzen.
    Traditionell ist es in orientalischen Gemeinschaften üblich, dass die Kinder das verdiente Geld ihrem Vater zur Unterstützung der Familie geben. Der Zusammenhalt solcher Familien ist sehr viel enger als der westlicher Familien und jedes Mitglied trägt zur Gemeinschaft bei, so gut es kann. Ein gewisser Stolz prägt sowohl Eltern als auch Kinder, sobald sie hierzu in der Lage sind. Entsprechend gibt auch Demet ihrem Vater ihr verdientes Geld und erhält im Gegenzug ein Taschengeld.Doch wovon träumt Demet? Sie wünscht sich, ihren Hauptschulabschluss nachzuholen und dann eines Tages eine Ausbildung als Krankenschwester oder Schwesternhelferin zu absolvieren. Das wäre ihr absoluter Traumberuf. Sie erzählte mir auch, dass sie sich einen muslimischen Partner ihrer Wahl zur Heirat aussuchen dürfe und nicht wie ihre ältere Schwester nach dem «Görücü usulu» verheiratet werden würde. Auch das habe sie durchgesetzt. Zwar seien bereits erste Verkupplungsversuche unternommen worden, doch sie wolle erst einmal ihre Berufsausbildung vorantreiben, ehe sie daran denke zu heiraten. Ich finden, das ist ein sehr großer Fortschritt.
3. Eine Braut wider Willen? – Zabrin
    Im gleichen Jahr, in dem ich meine Stelle an der Förderschule in der Malteserstraße antrat, kam auch Zabrin auf diese Schule. Sie war zuvor in der Grundschule gescheitert. Nun besuchte sie die 2. Klasse, obwohl sie eigentlich bereits im vierten Schulbesuchsjahr war. Besonders im Unterrichtsfach Mathematik wies sie unüberbrückbare Wissenslücken auf.
    Es mangelte Zabrin auch an Disziplin. So kam sie beispielsweise regelmäßig nach der Pause schwatzend und lachend verspätet in den Unterricht. «Zabrin, es hat schon längst geschellt. Setz dich bitte hin, wir wollen anfangen», so mein Versuch, nicht noch mehr Zeit verstreichen zu lassen. Zabrin reagiert überhaupt nicht und redet weiter mit ihrer Freundin, während sie gemächlich zu ihrem Platz geht. Jetzt mischt sich Ibrahim ein, ein Mitschüler, der sich gern als Big Boss aufspielt. «Zabrin, halt endlich deine Klappe.» «Was willst du Penner überhaupt», kontert Zabrin, und giggelt gleich weiter. «Pass bloß auf, du blöde Kuh», antwortet Ibrahim. Entnervt brülle ich dazwischen: «Verdammt noch mal, jetzt ist aber wirklichgut hier. Wir wollen anfangen.» Zabrin und Ibrahim grinsen mich an und der geplante Unterricht kann beginnen.
    Kontaktscheu oder schüchtern war Zabrin wirklich nicht. Bei näherer Beobachtung zeigte sich, dass sie zu niemandem Distanz hielt. Sie redete mit jedem und leider auch zu jeder Zeit. In der Schule wirkte sie immer wie aufgedreht. Sie lachte sehr viel und war extrem albern. Sie liebte die Schule – jedoch nicht den Lernstoff und den Unterricht, sondern die Pausen und ihre Mitschüler. Die Schule stellte für sie einen Freiraum dar, den sie zu Hause nicht kannte. Sogar nach Schulschluss blieb sie meist vor oder auf dem Schulgelände, um auf ihre Freundinnen zu warten, die länger Unterricht hatten.

    Zabrin ist die zweitälteste Tochter von insgesamt sechs Kindern (drei Mädchen, drei Jungen) einer libanesischen Familie. Die Eltern stammen aus Beirut, sämtliche Kinder sind in Gelsenkirchen geboren. Während die Kinder über recht gute Deutschkenntnisse verfügten, war eine Verständigung mit den Eltern schwierig. Zabrins Eltern sind strenggläubige Muslime, die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen sind. Die Mutter trug kein Kopftuch und war sehr auf ihr Äußeres bedacht. Sie kleidete sich westlich und sehr feminin und unterstrich damit ihre Schönheit, die sie zweifellos an ihre Tochter weitervererbt hatte. Zabrin war schon mit zwölf Jahren sehr groß gewachsen und schlank und hatte lange, glatte schwarze Haare.
    Doch die Kleidung der Mutter konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie und ihr Mann die drei Töchter streng kontrollierten und ihnen wenig bis gar keinen Freiraum gewährten. Hauptgrund für diese Kontrolle ist die Tatsache, dass die Ehre einer

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