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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betuel Durmaz
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nicht.»
    Mit solchen Antworten werde ich sicher nicht zum Sympathieträger für all jene Familien, die den Ramadan streng einhalten. Dennoch möchte ich mich nicht verstellen und muss authentisch bleiben. Ich kann zwar die Einstellung streng gläubiger Familien nicht verändern aber sie können auch von mir nicht verlangen, dass ich mich anpasse. Außerdem spielt es in meiner Vorbildfunktion ebenfalls eine Rolle zu zeigen, dass es auch Muslime gibt, die nicht fasten.

    Im ersten Schuljahr durfte Zabrin nach etlichen Gesprächen mit dem Vater und der Mutter an einer mehrtägigen Klassenfahrt teilnehmen. Es kostete mich viel Zeit und Überredungskunst, die Familie von den Vorteilen einer Klassenfahrt für ihre Tochter zu überzeugen. Zunächst lud ich die Eltern zu einem Gespräch in die Schule ein. Sie kamen nicht. Also vereinbarte ich einen neuen Termin. Wieder kamen sich nicht und hielten es auch nicht für nötig abzusagen. Zeit hätten sie eigentlich haben müssen, denn beide Elternteile gingen nicht arbeiten.
    Der nächste Schritt war ein Hausbesuch, bei dem der Vater durch Abwesenheit glänzte. Zabrins Mutter führte mich in ein prunkvoll eingerichtetes Wohnzimmer. An den Wänden hingen Bilder von der heiligen Stadt Mekka mit dem ProphetenMohammed und vergoldete, eingerahmte Suren. Der Glaube der Familie stach sofort und unweigerlich ins Auge. Nach einem langen Hin und Her und vielen Versprechen, die ich Zabrins Mutter geben musste, willigte sie letztendlich ein, ihre Tochter mitfahren zu lassen. Die Rolle der Ehefrau ist gerade in patriarchalischen Gesellschaftsformen nicht zu unterschätzen. Sie stehen in der Hierarchie zwar unter dem Ehemann und den Schwiegereltern. Doch die Kinder – insbesondere die Mädchen – sind in der Hierarchie unterhalb der Mutter angesiedelt. Das verleiht den Müttern eine gewisse Macht über sie, die mitunter sogar in Unterdrückung ausarten kann.

    Die Schule bedeutete für Zabrin folglich einen Freiraum, den sie verständlicherweise ausnutzte. Besonders im Fachunterricht fiel es ihr schwer, sich an die Anweisungen des Lehrers zu halten. Oftmals störte Zabrin den Unterricht, weil ihr gerade der Sinn danach stand, sich mitten in der Stunde zu schminken oder mit einer libanesischen Freundin am Fenster zu unterhalten. Je mehr sie in die Pubertät kam, desto schwieriger wurde sie. Gerade bei Kindern, die aus strengen Elternhäusern stammen, kann man beobachten, dass sie «aufdrehen», sobald sie dem Blickwinkel der Eltern entkommen sind. So verhielt es sich auch bei Zabrin und ihrer älteren Schwester. Regelverstöße im Klassenverband und während der Pausen nahmen mit beginnender Pubertät bei beiden Mädchen zu.
    Wenn Zabrin sich uneinsichtig zeigte, rief ich gelegentlich ihre Eltern an. Bis zu einem besonderen Tag: Nach der Pause war Zabrin mit einer libanesischen Freundin durch das Schulgebäude gelaufen und hatte dabei einige Klassen beim Unterricht gestört. Als sie dann ziemlich verspätet bei ihrer Fachlehrerin im Unterricht erschien und auf die Uhrzeit hingewiesen wurde, gab sie sich mehr als patzig. Anstatt sich zu rechtfertigen oder zumindest zu entschuldigen, wurde siefrech und ging schnurstracks zum Waschbecken, um sich vor dem Spiegel zu schminken. In der nächsten Pause informierte mich die Kollegin über diesen Vorfall.
    Ich stellte Zabrin zur Rede, doch auch mir gegenüber zeigte sie keine Einsicht. Daraufhin rief ich die Eltern an und bat sie zu einem Gespräch in die Schule. Am nächsten Tag erschien ihr Vater. Ich schilderte ihm den Vorfall und bat ihn, noch einmal in Ruhe mit seiner Tochter zu sprechen.

    An den folgenden beiden Tagen fehlte Zabrin. Als sie nach drei Tagen wieder zum Unterricht erschien, würdigte sie mich keines Blickes, was ich von ihr überhaupt nicht gewohnt war. Bislang hatte ich geglaubt, wir hätten ein inniges Lehrer-Schüler-Verhältnis. Nach Schulschluss bat ich sie, ein paar Minuten länger zu bleiben und mir ihre abweisende Haltung zu erklären. Bebend vor Wut und mit Tränen in den Augen fragte sie mich, ob sie mir mal etwas zeigen sollte. Zunächst verstand ich nicht, worauf sie hinauswollte. Dann jedoch krempelte sie ihre Ärmel und Hosenbeine hoch und zeigte mir ihre Hämatome an den Armen und Beinen.
    Ich konnte nachts nicht schlafen und überlegte fieberhaft, was ich für das Mädchen tun konnte. Der einfachste Weg wäre vermutlich, das Jugendamt einzuschalten. Es würde die Familie aufsuchen und ein Gespräch mit den Eltern

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