Doener, Machos und Migranten
führen. Aber was brachte das? Sobald die Tür hinter den Mitarbeitern des Jugendamts ins Schloss gefallen wäre, würden die Eltern die gleiche «Erziehungsmethode» wieder anwenden.
Ich könnte selbst mit den Eltern sprechen. Doch auch das würde nicht viel bringen. Im Gegenteil, Zabrin würde erneut bestraft werden, weil sie sich mir anvertraut hatte. Zu allem Überfluss war ich es gewesen, die sie in diese Situation gebracht hatte. Fest stand, dass ich die Eltern bei Regelverstößen ihrer Tochter nie wieder anrufen würde.
Im nächsten Schuljahr planten wir eine weitere Klassenfahrt. Zabrin wollte unbedingt mitfahren, und so besuchte ich ihre Familie erneut. Diesmal wählten die Eltern eine neue Strategie, um die Teilnahme ihrer Tochter zu verhindern. Bei dem Hausbesuch wurde Zabrin von ihrer Mutter zu uns ins Wohnzimmer gerufen und aufgefordert, mit mir zu sprechen. Steif und völlig eingeschüchtert teilte Zabrin mir mit, dass sie überhaupt keine Lust habe, mit auf Klassenfahrt zu kommen. Das Kind wurde von der Mutter für ihre eigenen Überzeugungen instrumentalisiert. Dagegen war ich machtlos. Wie vermutet, gab Zabrin mir gegenüber am nächsten Schultag zu, dass ihre Mutter sie zu dieser Aussage gezwungen hätte. Doch gegen eine solch perfide Strategie konnte ich nichts tun. Leider kann man die Eltern weder verpflichten noch zwingen, ihren Kindern die Erlaubnis zur Teilnahme an einer Klassenfahrt zu geben.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich Zabrin zu einem wunderschönen Mädchen, das sich seiner Ausstrahlung und Wirkung auf die männliche Umwelt sehr wohl bewusst war. Zabrin kam nun richtig in die Pubertät. Als sie längst nicht mehr meine Schülerin war, hörte ich von einer Kollegin, dass sie wiederholt die Schule schwänzte und regelmäßig mehrere Stunden zu spät im Unterricht erschien. Durch Lügen und Täuschungen verschaffte sie sich Zeit, in der sie sich allein an unbekannten Orten aufhielt. Es war ihr nicht zu entlocken, wo sie diese «Freizeit» verbrachte. Zabrins Eltern wurden über dieses Verhalten informiert und waren verständlicherweise sehr besorgt und ziemlich wütend. Während einer Klassenkonferenz zeigte sich Zabrin äußerst trotzig und uneinsichtig. Ihre Mutter fühlte sich hilflos und sah ihrerseits wenig Einflussmöglichkeiten auf ihre Tochter. Um Zabrin an ein regelmäßiges Erscheinen im Unterricht zu gewöhnen, wurde in einemMitteilungsheft täglich schriftlich notiert, wie viele Stunden sie Unterricht hatte. Dadurch hatten ihre Eltern einen Überblick über ihre Schulzeiten.
So weit die Ordungsmaßnahme von schulischer Seite. Doch was ließen sich Zabrins Eltern einfallen? Die Familienehre ist in muslimischen Gesellschaften das höchste Gut. Durch Zabrins Verhalten war die Ehre der Familie bedroht. Eine gängige Methode, um in solchen Situationen die Verantwortung abzugeben, ist die frühzeitige Verheiratung der Töchter. Zabrin war mit ihren fast 17 Jahren im besten Alter für solch eine Verheiratung.
Glücklicherweise wurde Zabrin einem jungen Libanesen vorgestellt, der ihr gefiel. Direkt nach dem Ende ihrer Schulpflicht wurde sie nach einer kurzen Verlobungszeit im Alter von 17 Jahren traditionell verheiratet. Zabrin lud mich und ihre Klassenlehrerin, die sie bis Klasse 10 unterrichtet hatte, zu ihrer Hochzeitsfeier ein. Bevor ich dort hinging, musste ich die Kleidungsfrage klären. Nach kurzer Überlegung zog ich ein hoch geschlossenes Kleid an, das allerdings ärmellos war. Daher zog ich eine Strickjacke darüber. Ich war noch nie auf einer libanesischen Hochzeit gewesen und konnte mir den Ablauf der Feier nur grob vorstellen. Bei der Kleiderwahl hatte ich richtig entschieden. Meine Strickjacke zog ich trotz der enormen Hitze im Festsaal nicht aus, da ich sonst unter 150 Gästen die einzige Frau mit nackten Armen gewesen wäre. Alle anderen Damen trugen lange Abendkleider ohne Ausschnitt und natürlich mit Ärmeln.
Zu unserer Verwunderung waren die Tische mit den Stuhlreihen in Richtung Bühne aufgestellt, und zwar so, dass man von allen Stühlen aus zur Bühne sah. Man saß also in einer Reihe an einem Tisch und hatte keine Stuhlreihe auf dergegenüberliegenden Tischseite. Dadurch entstand eine Theater- bzw. Kinoatmosphäre. Insgesamt gab es drei Tischblöcke. Der rechte Tischblock war ausschließlich für die männlichen Gäste. Der Tischblock in der Mitte und links war mit Frauen besetzt. Selbst Familien saßen getrennt: die Väter und älteren Söhne auf
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