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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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vor den Stufen zum Pavillon stehen. Dort drehte er sich, seinen kohlrabenschwarzen Schopf schüttelnd, um, senkte seinen Kopf wie ein von einem Bienenschwarm verfolgter jähzorniger Stier und schoß auf die Australier.
    «Gut gemacht, Junge», murmelte Sir Lancelot.
    «Aber es ist doch nichts geschehen», rief Amelia.
    «Stimmt. Der Schläger hat seine ganze Geschicklichkeit aufgewendet, um nicht zu treffen.»
    «Er schoß daneben? Und das ist gut?»
    Er tröstete sie: «Man muß mehrere Generationen englischer Vorfahren haben, um das zu verstehen.»
    «Würden es schottische auch schaffen? Von denen hab ich welche.»
    «Nein. Nur Engländer spielen Kricket. Die Schotten werfen Baumstämme, die Waliser singen Hymnen, und die Iren finden Kobolde.»
    Jowler zielte. Die geduckt kriechenden Fänger sprangen aufheulend in die Höhe.
    «Mein Gott», keuchte Amelia. «Sie versuchen den Armen umzubringen.»
    Der Schiedsrichter hob den Finger, mit ihm Sir Lancelot und alle übrigen. Der Schläger hinkte tieftraurig zum Pavillon. Jowler nahm sein Leibchen mit der Miene eines Scharfrichters entgegen, der sich das Blut von den Händen wischt. Sir Lancelot sagte mit Wärme: «Auf diese Weise werden wir die Niederlage gegen die Australier wieder wettmachen.»
    «Wie bitte?»
    «Wir spielen um den Mist, wie man so sagt. Ist es Ihnen zu langweilig?»
    Amelia zog im Sitzen die Knie hoch. «Ich bin fasziniert. Wo kann eine Frau heutzutage noch völlig neue Erfahrungen machen?»
    Sie blieben bis Spielschluß.
    «Ich glaube, ich hab’s jetzt», erklärte Amelia. «Eine Seite ist out, und eine Seite ist in, bis sie out ist.» Sir Lancelot nickte. «Dann gehen die out, und die andere Seite geht out, um in zu gehen, so lange bis eine nicht out ist, wenn alle out sind.»
    «Ich wollte, meine Studenten im St.-Swithin hätten eine so schnelle Auffassung wie Sie.»
    «Und jetzt kommen alle, die out sind, in», fuhr sie fort, während sie die Spieler, die schon lange Schatten warfen, zum Pavillon trotten sah. «Einschließlich der beiden, die nicht out sind und sich denen anschließen, die in sind, von denen einige out sind, und sie gehen jetzt alle out um ein Bier. O. k.?»
    «Was mich veranlaßt, Ihnen vorzuschlagen, mit mir einen Drink in meinem Club zu nehmen.»
    «Eine Lasterhöhle für Männlichkeits-Chauvinisten. Nein, danke.»
    «Nach sechs Uhr abends sind wir durchaus heterosexuell», versicherte er ihr. «Da Sie in Begleitung eines Mitglieds sind, müssen Sie nicht einmal den Seiteneingang benützen.»
    Amelia hatte erwartet, daß Sir Lancelots Londoner Club in düsterer Wucht, Verstaubtheit und Geräumigkeit der New Yorker Öffentlichen Bibliothek auf der Fifth Avenue gleiche. Doch dann entdeckte sie, daß es sich um einen Bau im georgianischen Stil handelte, der sich hinter den grünbelaubten Alleen rund um den St.-James-Palast der Sicht entzog. Seine Räume waren delikat proportioniert, mit farbkräftigen Bildern und hübschen Vorhängen ausgeschmückt. Die Mitglieder schienen durchwegs intime Freunde Sir Lancelots zu sein. Der Drink wurde zum Dinner.
    Amelia saß an dem mit Kerzen beleuchteten Tisch, während Sir Lancelot die Weinkarte studierte. «Wie steht’s mit der Fistel?» fragte er den grün livrierten Butler.
    «Überhaupt keine Beschwerden, Sir Lancelot, danke bestens», erwiderte der Mann glückstrahlend. «Sie haben ganze Arbeit an mir geleistet, das muß ich schon sagen.»
    «Haben Sie was dagegen, wenn ich rauche?» fragte Amelia.
    «Im Speisesaal ist es strengstens verboten.»
    Sie räumte die Zigaretten weg.
    «Darf ich Ihnen ein Kompliment machen?» fragte er.
    «Mit Schmeicheleien kommen Sie nicht weiter, Lancelot.»
    «Im Gegenteil, ich habe ausnahmslos entdeckt, daß man damit immer weiterkommt. Sie sind die einzige Frau - seit dem Tod meiner armen Gattin —, deren Gesellschaft ich nach acht Stunden ununterbrochenen Beisammenseins nicht als lästig empfinde. Die anderen unterscheiden sich nur durch den Grad des Lästigseins, vom gerade noch Erträglichen bis zum Peinlichen und schließlich Unerträglichen.»
    «Jetzt spielen Sie aber den Charmeur?» Amelia heftete ihre blauen Augen auf ihn. «Darf ich das Kompliment erwidern? Obwohl Sie, wie alle Engländer, so sprechen, als müßten Sie sich dringend einer Hals-Nasen-Ohrenbehandlung unterziehen, sich kleiden, als betrauerten Sie Ihr Lieblingspferd, und sich benehmen, als litten Sie ständig unter schwerer Verstopfung, besitzen Sie etwas, das auf dieser Welt

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