Doktor auf Abwegen
«Nun, Lancelot hat sich immer über mangelnde Ventilation beklagt», bemerkte sie. «Übrigens hab auch ich dir eine phantastische Neuigkeit zu vermelden. Ich werde in Kürze zum Anwärter auf den nächsten konservativen Abgeordnetenposten für Spratt’s Bottom nominiert.»
«Was!» Er starrte sie an, und seine Fingerknöchel wurden weiß, als er die Kette packte. «Du weißt nicht, worauf du dich da einläßt.»
«Ich gebe zu, ich wäre glücklicher, wenn ich es nicht just mit dir aufnehmen müßte, Ronnie. Du hast hier eine erschreckend starke Anhängerschaft. Doch nehme ich an, in der Liebe und im Klassenkampf arbeitet man mit fairen Mitteln.»
«Aber Frauen wirken sich in der Tory-Partei geradezu verheerend aus», wandte er erbost ein. «Denk doch nur an Mrs. -»
«Du lieber Gott, was für ein Trümmerhaufen», ertönte Sir Lancelots Stimme hinter ihnen. «Sie haben sich doch am Ende nicht wieder patzig gemacht und irrtümlicherweise den Sprengtrupp eingesetzt, Clapper?»
«Ich muß Sie wirklich eines Besseren belehren, wenn Sie glauben, daß ich ständig Schnitzer mache», erwiderte Mr. Clapper gekränkt. «Ach du lieber Gott. Hab ganz vergessen, Ihnen diesen Brief auszuhändigen, den ich gestern für Sie übernahm. Trägt noch dazu die Bemerkung .»
Er zog einen Brief aus seiner Tasche und reichte ihn Sir Lancelot.
«Leb wohl, Ron», rief Jenny fröhlich. «Ein netter Gedanke, daß wir beim nächsten Wahlkampf ein Rendezvous haben.»
«Das ist Demokratie», sagte Ron dumpf. «Jede Partei trachtet, der anderen eins auszuwischen.»
«Nein, das stimmt nicht», korrigierte sie ihn sanft. «Demokratie ist, euch eins auszuwischen.»
Sir Lancelot las indessen den Brief.
Med. univ. Dr. Edwin und Dr. Marjorie Turnhorn
Apricot Avenue 1, Spratt’s Bottom
Lieber Lancelot,
meine Frau und ich haben riesiges Glück gehabt. Einer unserer Patienten, der für eine Seereise gebucht hatte, ist gestorben, und seine Witwe gab uns die Tickets. Leider Gottes müssen wir diesen Samstag abreisen, und Du weißt, daß es fast ausgeschlossen ist, in so kurzer Zeit verläßliche Stellvertreter zu finden. Kennst Du vielleicht zwei junge Ärzte, die bereit wären, hier einen Monat lang zu leben? Keine Hinterwäldler bitte, unsere Praxis ist die angesehenste und vornehmste im ganzen Bezirk.
Herzlichst Dein
Edwin
Sir Lancelot strich sich lange Zeit den Bart.
«Clapper, ich darf doch hier gratis telefonieren? Gut.» Er betätigte den Wandapparat. «Zentrale? Verbinden Sie mich bitte mit Nairobi.»
5
«Und wie war’s in Manchester?» fragte Sir Lancelot Amelia Witherspoon.
«Die Krankenhäuser waren recht leistungsfähig. Sonst gab’s dort nichts Schlimmes, das nicht durch ein anständiges Erdbeben behoben werden könnte.» Sie stieg bei der Station Euston in seinen Rolls ein. Es war kurz nach halb eins am selben Donnerstag mittag. Er verstaute ihr Übernachtungsköfferchen im Gepäckraum und ließ sich dann auf dem Fahrersitz nieder.
«Apropos Erdbeben, Lancelot, ich befand mich in einem OP in Bolivien, als gerade eins einsetzte. Daran erinnerte ich mich lebhaft am vergangenen Donnerstag. Man weiß eben nie, ob gewisse Erfahrungen im Leben nicht noch einmal nützlich sein werden.»
«Hätten Sie nicht die Lampe festgehalten, die den Patienten bedrohte, würde man mich mein Leben lang mit faulen Eiern beworfen haben.»
«Und wie geht’s dem Patienten?»
«Der ist unendlich dankbar. Ich bin drauf gekommen, daß nur die Opfer geringfügiger Fehler zu Gericht eilen. Diejenigen, die wir fast umbringen, erklären beim Verlassen des Hospitals, daß Ärzte und Schwestern einzigartig waren. Er beklagte sich nur darüber, daß ihm seine Diät keine Kartoffelchips erlaubt.»
«Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen. Ich hab mich vergangene Woche sehr anmaßend benommen. Wissen Sie, Sie haben eine Art zu operieren, als würden Sie die Grenadiergarde exerzieren lassen.» Sie lächelte: «Ich fand, daß Sie mich wie ein inferiores Wesen behandelten. Seither hab ich aber herausgefunden, daß alle Engländer die Frauen in dieser Weise behandeln.»
«Es ist an mir, mich bei Ihnen zu entschuldigen, Amelia», erklärte er entgegenkommend. «Ich hatte angenommen, daß Ihr Interesse an der Chirurgie eher dem einer tricoteuse unter der Guillotine gliche. Wenn ich wirklich einige rauhe Befehle äußern sollte, so glauben Sie mir bitte, daß sie ausschließlich dem Wohl der wichtigsten Person im OP
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