Doktor auf Abwegen
«Na schön», sagte Freddie munter. «Zumindest haben wir für den kommenden Monat einen ausgiebigen Gesprächsstoff, nein?»
«Liebe Eva, reg dich nicht so auf», sagte Dawn freundlich. «Heutzutage lebt jeder mit jedem zusammen. Bedenke, was dadurch allein an Gas gespart wird.»
«Du hast natürlich völlig recht, liebe Dawn», bestätigte Eva. «Diesen Vorfällen ist nicht die geringste Bedeutung beizumessen. Manchmalglaube ich wirklich, daß ich zu strenge Grundsätze habe. Das kommt von meiner Mutter, sie war Professor der Moralphilosophie.» Sie straffte die Schultern und faltete die Hände. «Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?» fragte sie im Konversationston.
«Ich hab mir beim Kricketspielen das Bein verrenkt», sagte Freddie.
«So massierte ich ihn in der Physiotherapeutischen Abteilung vom Heiligen Grab», fuhr Dawn fort. «Am Montag begann ich bei der Wade. Am Dienstag kam ich zur Kniescheibe. Am Mittwoch war icham Schenkel. Am Donnerstag erreichte ich die Hüfte, und am Freitag bat er mich, seine Frau zu werden. Was tat er mit dir?»
«Er nahm mir den Appendix heraus -» Eva stockte. Sie deutete auf den Kaffeetisch. «Diese Flasche. Darin ist er. Ich würde ihn überall erkennen!»
«Freddie!» rief Dawn böse. «Die ganze Zeit hab ich mir den Appendix einer anderen Frau auf dem Kaminsims anschauen müssen.»
«Ehrenwort, Darling», erklärte er. «Ich hob ihn nicht in der Flasche auf, weil er Evas Appendix war. Sondern weil er der erste Appendix war, den ich je in meinem Leben herausnahm.»
«O du niederträchtiger Schweinehund von einem Chirurgen», rief Eva, außer sich vor Wut. «Du sagtest mir damals, du hättest schon Hunderte herausgenommen.»
«Nun, zumindest einem von uns beiden mußte ich Zuversicht für die Operation einflößen.»
«Freddie», erklärte Dawn fest. «Du wirst diesen Appendix nehmen und ihn auf immer im Garten vergraben.»
«Das werde ich gewiß nicht tun. Er ist mein Talisman. Er hat mir Glück gebracht und uns zusammengeführt.»
«Es ist zufälligerweise mein Appendix», sagte Eva scharf. «Ich möchte ihn gern zurückhaben.»
«Das geht nicht. Wer hat schon je von einer Appendix-Transplantation gehört?» fragte Freddie. «Ich lehne es ab, das Gespräch fortzusetzen. Ich muß mich um die Patienten kümmern.» Er ließ die Flasche in die Tasche seines weißen Mantels gleiten und stelzte aus der Diele.
«Freddie ist wirklich ein großartiger Chirurg», sagte Dawn liebevoll. «Er hat so leichte und sensitive Hände.»
«Was du nicht sagst.»
«Ja. Er hat den Ehrgeiz, Herzoperationen durchzuführen.»
«Was du nicht sagst.»
«Du solltest einige seiner Arbeiten sehen.»
«Das tu ich», erwiderte Eva heftig. «Sehr oft.»
Sie zog den Rock hinauf, den oberen Rand ihrer Strumpfhose und das lila Höschen hinunter und entblößte eine lange, breite, tief eingesunkene braune Linie.
«Siehst du, wie er mich für mein Leben gezeichnet hat?»
«Ja, es sieht eher so aus, als hätte er dich mit einem Bulldozer bearbeitet», sagte Dawn nachdenklich. «Aber du mußt bedenken, daß es sein allererster Versuch war.»
«Oh, mir ist so elend», brach es aus Eva hervor, und sie warf sich auf das Mokettsofa.
Cindy stürzte aus dem Vorzimmer herein. «Mrs. Chipps...Mrs. Bisham...Ich erhielt soeben zwei telefonische Anrufe. Den einen von einem gewissen Sir Lancelot Spratt. Er kommt heute abend zum Dinner. Den andern von der Oberin des Heiligen-Grab-Hospitals. Sie kommt auch heute abend zum Dinner. Brauchen Sie vielleicht noch etwas vom Milchmann? Er wartet mit einem Ekzem draußen.»
8
Leicht verstört fuhr Sir Lancelot an diesem Montag abend nach Spratt’s Bottom. Den Nachmittag hatte er in einer in der Park Lane gelegenen Werbeagentur verbracht, deren Namen er widerwillig vom Dean erfahren hatte. Mr. Hamilton Tosker hätte diese Firma beauftragen können, aus Stalin einen Weihnachtsmann zu machen. Sir Lancelot hatte sich einen in Samt gekleideten Neurotiker vorgestellt, der nach Alkohol und Parfum roch, fand jedoch einen smarten jungen Mann mit hochglänzendem kastanienbraunem Haar vor, dessen einzige Abweichung von der Durchschnittsmenschheit darin bestand, daß er von unglaublich hübschen Frauen umgeben war.
«Glauben Sie, daß Sie dies zuwege bringen können?» fragte Sir Lancelot, nachdem er seinen Plan auseinandergesetzt hatte.
«Public Relations können fast alles zuwege bringen.» Der Experte saß an einem Schreibtisch, der bis auf eine
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