Doktor auf Abwegen
überschreitet seine eigenen Grenzen. Daher auch die ständigen Flugzeugentführungen. Mir würde es nie einfallen, durch eine Tür mit der Aufschrift zu gehen. Aber die Leute wissen nicht mehr, wo ihr Platz ist. Sie sind so schweigsam, Lancelot?» fragte sie.
Er stand neben dem Messingständer der Lampe und strich sich über den Bart. «Mir ist nur eben etwas eingefallen.»
«Nicht nur Sapworth verpestet mir das Leben, sondern auch ein schrecklicher Psychopath in der Sterilisationsanlage des Hospitals, des PFUI. Bei einer Razzia in seinem Haus wurden die halben Hospitalsvorräte gefunden. PFUI behauptet natürlich, es handle sich da nur um nutzloses Material, doch der Mann hat tatsächlich genügend Verbandzeug für eine Schlacht, genügend Spritzen, um sämtliche Drogensüchtige unseres Landes zu versorgen, und genügend Krücken für eine ganze Skisaison in den Alpen beiseite geräumt. Auch PFUI wird morgen streiken, wegen Belästigung von seiten der Polizei. Wie die Lader auf dem Londoner Flughafen, wenn einer von ihnen mit Goldbarren in den Taschen entdeckt wird. Kein Wunder, daß es nirgends mehr Recht und Ordnung gibt. Jetzt weiß ich, wie das Leben zur Zeit der Rosenkriege war. Bitte noch einen», sagte sie zu Pip, kippte den Whisky hinunter und schob ihm das leere Glas hin. «Lancelot, wollen Sie denn den ganzen Abend lang nicht mit mir reden?»
«Mir ist noch etwas eingefallen.»
«Hoffentlich habt ihr euch in der vergangenen Woche häuslich gut arrangiert?» fragte die Oberin schon heiterer, als Pip ihr den Whisky reichte. «Man sagt, daß sich zwei Frauen nicht in ein und dieselbe Küche teilen können, aber ich bin überzeugt, du und Dawn, ihr kommt prächtig miteinander aus, Eva.»
«Wir haben vieles gemeinsam», gab Dawn zu.
«Daß Pip und Freddie dicke Freunde sind, braucht man nicht erst zu sagen. Pip, du siehst aber heut abend recht mürrisch aus.» Sie faßte ihn ins Auge. «Diese böse Krätze in der Leistengegend, die er sich in Kenia holte, macht ihm doch nicht schon wieder zu schaffen, Eva?»
«Nein, sie ist vollkommen verheilt.»
Sir Lancelot starrte Freddie an. «Wieso weiß sie etwas über Chipps’ Leistengegend?»
«Ich sagte Ihnen doch, Sir. Er ist ihr Arzt.»
«Großer Gott, entledigt sich auch der medizinische Betreuer aller Kleider, wenn er jemanden untersucht?»
«Da hab ich etwas, um euch aufzuheitern», sagte die Oberin sonnig. Sie öffnete ihre Handtasche. «Pip, ich hab einige furchtbar komische Schnappschüsse von eurer Hochzeit gefunden.»
Eva sprang auf. «Das Gulasch! Es brennt an!»
Die Oberin schnüffelte. «Ich kann nichts riechen. Jemand hat wohl ein Feuer in seinem Garten entzündet. Lancelot, sehen Sie sich bloß dies hier an - aber Pip!»
Pip hatte ihr die Fotos entrissen. «Verzeih mir, Tantchen. Es ist mir so peinlich. Man schaut an seinem Hochzeitstag so verdammt blöd aus.»
«Ich fand dich äußerst distinguiert. Frag Sir Lancelot um seine Mei-ftung.»
Freddie schnüffelte lautstark. «Dieses Gulasch ist angebrannt, wenn nicht in Flammen! Gehen wir schauen, Pip? Oder gehen wir alle schauen. Auch Tantchen Florrie soll schauen gehen.»
«Ich? Warum? Ich entspanne mich gerade so schön mit meinem Drink.»
«Nehmen Sie ihn mit.» Freddie zog sie an der Hand hoch. «Sie sind genau die Richtige für einen Notfall. Erinnern Sie sich an die Heizkessel im Heiligen Grab?»
Er schob sie durch den Perlenvorhang.
Sir Lancelot sah sich plötzlich allein. Er knurrte. Langsam trat er durch die gleitenden Glastüren in den sonnenerhellten Patio hinaus. Bald nahm er wahr, daß er nicht allein war.
«Verzeihung —» Cindy lächelte schüchtern. «Sind Sie der berühmte Sir Lancelot Spratt? Der, wo Popsänger und andere Größen operiert?»
«Meine Praxis ist sehr unterschiedlich, gewiß», erwiderte Sir Lancelot und blickte streng auf ihre winzige weiße Gestalt hinab.
«Ich hab Sie an Ihrem Bild in den Zeitungen erkannt. Als Sie diesem Polypen eine herunterhauten, wissen Sie, am vergangenen Samstag. Jöh, die Doktoren Turnhorn sprechen alleweil von Ihnen», fuhr sie schmeichelnd fort. «Sie sagen, Ihre Meinung über einen chirurgischen Fall ist fast so bedeutend wie Ihre Meinung über sich selbst.»
«Hm», machte Sir Lancelot.
Sie fuhr in ihren Komplimenten fort: «Sie müssen mehr Erfahrungen mit Krankenschwestern haben als Paul Raymond mit Nackttänzerinnen.»
«Schon möglich.»
«Sagen Sie mir, Sir Lancelot - aber ganz ehrlich -,
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