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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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können. Aber eine derart vulgäre Intimität mit Bishams Frau, noch dazu vor seiner eigenen Nase, hätte ich mir denn doch nicht erwartet.»
    «Ist schon in Ordnung, Sir.» Freddie setzte ein verzweifeltes Lächeln auf. «Ganz in Ordnung. Sehen Sie, Pip ist ihr Arzt.»
    «Ihr Arzt?» rief Sir Lancelot. «Aber der Bursche hat sie doch erst am vergangenen Montag kennengelernt.»
    «Stimmt, Sir», gab Freddie zu. «Vergangenen Montag vormittag. Finden Sie nicht, daß es sehr klug von uns war, keine Zeit zu vergeuden? Will sagen: Wir waren gerade in Spratt’s Bottom eingezogen und mußten Eva doch gleich als einstweilige Einwohnerin bei einem Krankenkassenarzt anmelden. Taten wir das nicht, Darling? Sie kennen doch die Risiken des Haushaltführens zur Genüge, Sir? Nach Angaben der Gesellschaft für Unfallverhütung ist ein Heim der gefährlichste Ort der Welt. Hausfrauen sind größeren Gefahren ausgesetzt als Astronauten. Alles mögliche hätte ihr zustoßen können - über das Vogelbad stolpern, Frostbeulen durch den Kühlschrank, Sonnenstich von der Höhensonne im Badezimmer, Ertrinken im Seerosenteich, Stromtod durch das Kochgerät, Ersticken im Wäscheschrank. Ich wollte, alle unsere Patienten wären so peinlich genau wie wir darauf bedacht, den Vorschriften des Volksgesundheitsdienstes nachzukommen. Du nicht auch, Pip? Medizinisch konnte ich mich meiner Frau nicht richtig annehmen. Vielleicht ein verwerfliches Prinzip. Vielleicht auch unethisch.»
    Pip sah Freddie mit jenem Gemisch aus Panik und Erleichterung an, die ein um sein Leben kämpfender Schwimmer beim Anblick eines ihm zugeworfenen, sehr abgescheuerten Seils empfindet. Sir Lancelot hingegen sah die beiden mit dem Gesichtsausdruck Sherlock Holmes’ an, als er ahnte, daß Moriarty einen Zwillingsbruder hatte. «Sei dem, wie ihm wolle. Aber Sie scheinen nicht viel Zeit verloren zu haben, Chipps, als Sie Mrs. Bisham einer eingehenden körperlichen Untersuchung unterzogen.»
    «Aber das schärften Sie uns doch selbst immer im St.-Swithin ein, Sir», erwiderte Pip eifrig. «Jeder Patient muß überall gründlich untersucht werden. Und vollständig, vom Scheitel bis zur Sohle. Auch wenn er nur mit einer Beule auf der Nase daherkommt.»
    «Ich zweifle, daß Sie einen so schätzenswerten Enthusiasmus an den Tag gelegt hätten, wäre die Dame ein korpulenter Herr in mittleren Jahren gewesen wie ich. Aufrichtig gesagt, Bisham, ich nehme an, Sie richteten sich nach dem alten Leitsatz, als ärztlichen Betreuer Ihrer Frau einen alten Bekannten zu nehmen? Gewiß sollte der Arzt ein Freund der Familie sein. Aber niemals ein Vertrauter. Sonst könnte sein klinisches Urteil möglicherweise verführt werden, die gebotene Distanz zu übertreten. Von seiner Person selbst ganz zu schweigen.»
    «Ich würde Pip blind vertrauen, an jedem Ort und mit jeder Frau.»
    «Ja, wirklich?» fragte Sir Lancelot zutiefst verwundert. «Ich würde ihn nicht einmal mit einer bärtigen Dame, die an einer starken Erkältung leidet, im selben Zimmer allein lassen.»
    «Das Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, Sir», erklärte Pip mannhaft. «Freddie, ich möchte, daß du meine Frau ärztlich betreust.»
    «Was immer du wünschst, Pip.»
    «Entkleide sie bis auf die Haut, untersuche sie von oben bis unten, tu, was du willst.»
    «Sehr verbunden, Pip.»
    «Ich möchte noch einen Drink», erklärte Sir Lancelot.
    «Nur noch eins -» Pip kratzte sich am Kinn. «Eine Kleinigkeit. Wer hat jetzt tatsächlich deinen Appendix entfernt, Eva?»
    Sie stand wie versteinert da, das Tablett in der Hand, und starrte geistesabwesend auf die Vögel, die sich in ihrem Bad im Patio vergnügten. «Äh - ich kann mich nicht mehr erinnern.»
    Pip trat näher an sie heran. Er faßte sie über das Besteck hinweg scharf ins Auge. «Du sagtest mir aber, es sei Sir Lancelot gewesen.»
    «Wie, als Sie sie, kaum erblickt, bis aufs Chassis auszogen?» rief Sir Lancelot. «Bedenken Sie doch, liebe Eva, ich kann es einfach nicht gewesen sein. Jeder erinnert sich sein Leben lang daran, von wem er operiert wurde.»
    Pip hörte nicht mehr zu. Drohend fuhr er fort: «Ja, Eva, wer hat nun wirklich diese ungewöhnliche Appendektomie an dir vorgenommen?»
    «Der größte Chirurg der Welt.» Stolz lächelnd, in ein flammendrotes, lose herabfallendes Gewand gekleidet, erschien Dawn zwischen den Perlenketten des maurischen Bogens.
     

13
     
    «Soeben sagte ich doch, daß nicht ich es gewesen bin», teilte Sir Lancelot Eva erbost

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