Doktor auf Abwegen
mit.
«Einige Spanier können den Wein so auf ihre Stirnen und die Nase heruntergießen, daß er ihnen direkt in den Mund rinnt», sagte Freddie, der es an Hand der Flasche demonstrieren wollte.
«Dann werde ich mich hüten, sie in meinen Club einzuladen», fuhr ihn Sir Lancelot an. «Das alles kommt mir so verwirrend vor, wie wenn man versuchen wollte, an Bord eines Schiffes Billard zu spielen. Ich gebe zu, daß eine Menge Leute heutzutage nicht wissen, wer ihre Väter waren. Aber die meisten können mit dem Finger auf den Mann zeigen, der ihnen ihre inneren Organe weggenommen hat.»
Dawn streckte schmachtend einen Arm aus, um den Hals ihres Mannes zu umfassen. «Du warst es, nicht wahr, Freddie?»
«Du!» Pip trat mit geballten Fäusten näher. «Kein Wunder, daß die Narbe wie eine Reliefkarte des Grand Canyon aussieht.»
«Tut mir leid, Pip.» Freddie blickte ihn schmerzlich an. «Aber ich tat damals mein Bestes. Es war meine erste Arbeit.»
«Und er hat ihn noch immer, Pip. Sieh mal her —» Dawn hielt voll Stolz die Flasche hoch, die auf dem Kaffeetischchen stand.
«Der...der gehört Eva?» Pip verfärbte sich und begann zu stottern. «Gib ihn sofort wieder her.»
Freddie brachte ein schwächliches Lächeln zustande. «Das ist doch nur ein kleines Andenken, Alter.»
«Ich wünsche nicht, daß du Stücke von Eva wie Jagdtrophäen zur Schau stellst.»
«Bei näherer Betrachtung», überlegte Dawn, die Flasche hin und her Wendend, «ist dieses Ding eigentlich nicht wert, auf einem Kaminsims aufgestellt zu werden. Ich persönlich ziehe als Dekorationsstück eine Schale mit Goldfischen vor.»
«Sieh dir das an!» Pip entriß Dawn die Flasche. «Er ist nicht einmal entzündet! Der blutigste medizinische Anfänger könnte dir sagen, daß dies ein völlig gesunder Appendix ist. Dem fehlt nicht das geringste. Du hast eine falsche Diagnose gestellt», teilte er Freddie mit einem vernichtenden Blick mit.
«Pip, ich muß dir die Wahrheit sagen.» Freddie blickte ihn beschwörend an. «Das ist etwas, womit ich mich abfinden mußte. Buchstäblich. Größere Chirurgen als ich haben irrtümlich akute Appendicitis diagnostiziert. Es konnte ja ein ganzer Haufen anderer Dinge sein: Blähungen, Verstopfung, ein Vorfall der Gebärmutter, vielleicht auch Drüsenfieber. Das grassierte damals in dieser Jahreszeit», erinnerte er sich.
«Dich hat’s schon immer gejuckt, die Messerspitze anzusetzen», beschuldigte ihn Pip.
«Aber du wirst mir doch zustimmen, Pip, daß bei Verdacht auf Appendicitis unter allen Umständen das oberste Prinzip der Chirurgie zu berücksichtigen ist: Es ist besser, du nimmst das Messer.»
«Du machtest also einen Fehler?» Die zwei drehten sich überrascht um, als Eva das Tablett klirrend auf den Kaffeetisch stellte. «In meiner Diagnose hast du einen Riesenfehler gemacht. Und hast es mir gegenüber nicht einmal angedeutet. Also, ich muß schon sagen, Freddie! Das ist geradezu schändlich. Und zeugt meiner Meinung nach von den abscheulichsten Manieren.»
«Ich wollte dich nicht aufregen, das ist alles», verteidigte sich Freddie. «Du warst ein ziemlich schwieriger Patient.»
«Du hast mich als Übungsobjekt benützt», schrie sie ihn wütend an.
«Ich hab dich natürlich nicht als Übungsobjekt benützt. Ebensowenig wie ich es mit Dawn getan hätte.»
«Oh, man kennt diese Chirurgen», bemerkte Dawn träge. «Sie glauben nicht an Heilung, sondern nur daran, etwas woandershin zu tun.»
«Würde einer von euch Ärzten mir diesen besonders verwickelten Fall näher erklären?» forderte Sir Lancelot Spratt.
Die vier starrten ihn an. Sie hatten ihn vergessen, wie herumtollende Kinder den Schulvorstand mit dem Stock vergessen.
«Genaugenommen ein einfacher Fall», antwortete Freddie sachlich. «Ich operierte Eva einmal spätnachts im Heiligen Grab.»
Sir Lancelot fragte schockiert: «Ihre eigene Frau?»
«Das war sie nicht. Will sagen, damals nicht.»
«Und sehen Sie, Sir», fuhr Pip eilends fort. «Eva schämte sich sehr dieser Narbe, und da sie die chirurgische Geschicklichkeit ihres Gatten nicht in schlechten Ruf bringen wollte, als ich sie an jenem Vormittag als ihr neuer Arzt untersuchte, nannte sie den Namen des ersten Chirurgen, der ihr einfiel. Und Ihr Name, Sir, würde einem da doch bestimmt an erster Stelle einfallen, nicht wahr?»
Sir Lancelot wirkte leicht besänftigt. Er fragte: «Aber weshalb dieses ganze Getue um das Präparat in der Flasche?»
«Darf ich es Ihnen
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