Doktor auf Abwegen
glauben Sie, daß ich eine gute Krankenpflegerin bin?»
«Nun ja, gewissermaßen.»
«Ich hab mir schon immer gewünscht, eine richtige Schwester zu werden und was wirklich Aufregendes mit Patienten zu erleben.» Cindy verschränkte die Hände unter dem Busen und blickte ihn leuchtenden Auges an. «Im OP.»
«Sie würden sich dort nicht leicht zurechtfinden. Es gibt da einen ganzen Haufen Besteck.»
«Aber ich krieg alles sehr rasch mit», erklärte sie eifrig. «Ich bin überzeugt, daß ich bald ganz allein Operationen vornehmen könnte. Würde mit was Einfachem beginnen — einer Herniotomie oder einer Thyroidektomie, könnt mich aber leicht bis zu einer Pankreasektomie oder einer Mitralvalvotomie hinaufarbeiten.»
Er runzelte die Stirn. «Woher haben Sie diese langen Wörter?»
«Ich nehme mir immer Dr. Turnhorns Bücher mit nach Hause. Sie sind eine gute Lektüre vorm Einschlafen.»
Er sagte, nicht gerade unfreundlich: «Leider gehört zur Chirurgie auch ein gutes Teil Praxis.»
«Aber mein Freund - der sollte wirklich Doktor werden. Er hat so wundervoll sanfte Hände. Kann einen so sacht berühren. Er hat schon mit der Medizin begonnen, wissen Sie. Aber vom anderen Ende her. Vielleicht könnten Sie ihm helfen?»
«Ich bin stets bereit, den Ehrgeiz der Jungen zu ermutigen - solange er nicht in Konflikt mit meinem eigenen gerät. Aber vielleicht könnten Sie mir zuerst helfen? Sagen Sie, wie verhält es sich eigentlich mit den Leuten hier im Hause?»
«O du lieber Himmel, das ist eine recht verwirrende Sache, das muß ich schon sagen. Manchmal kommt mir vor, daß die jungen Ärzte selber nicht wissen, wer sie sind. Da ist eine Mrs. Chipps und eine Mrs. Bisham, aber ich weiß nicht, welche welche ist. Begonnen hat’s damit, daß die große Blonde den Dr. Chipps heiratete, aber sie sind offenbar nicht imstande, das durchzuhalten.»
«Eva ist mit Dr. Chipps verheiratet?»
«O doch. Sie war seekrank vom Fliegen. Sehen Sie nicht, wie sonnverbrannt sie ist? Die kleine Dicke war mit Dr. Bisham verheiratet. Ist er nicht ein süßer Junge? Erinnert mich irgendwie an meinen Freund - der arbeitet übrigens in der Leichenverbrennungshalle von Spratt’s Bottom. Schiebt die Kunden herum. Man muß doch schauen, daß man irgendwo unterkommt, nicht wahr? Na, jetzt muß ich aber heim. Es war furchtbar nett, mit Ihnen zu plaudern, Sir Lancelot. Mein Freund wird platt sein, wenn ich ihm das erzähle. Aber genaugenommen hat er wahrscheinlich schon einen Gutteil Ihrer Arbeit zur Behandlung übernommen.»
Als Cindy im Vorraum verschwand, bemerkte Sir Lancelot, daß sich Pip und Freddie vorsichtig durch den maurischen Bogen schlängelten.
«Chipps! Bisham! Ihr habt mich getäuscht.»
«Wir und Sie täuschen, Sir?» Pip sah ihn bestürzt an. «Ich würde eher einem gichtigen Orang-Utan eine Banane wegzunehmen versuchen, als Sie zu täuschen, Sir.»
«Ich schere mich den Teufel um eure schmutzigen sexuellen Abmachungen. Aber ich nehme es euch übel, daß ihr mich zum Narren halten wollt. Je früher Sie in Ihren Dschungel zurückkehren, Chipps, um so besser. Was Sie betrifft, Bisham, würde ich nie befürworten, daß ein so unzuverlässiger Kollege in den Ärztestab des St.-Swithin aufgenommen wird.»
Freddie nahm diese Worte mit großem Gelächter auf. «Aber sehen Sie denn nicht, Sir, daß das Ganze ein Ulk war? Nicht wahr, Pip?»
«Ein bißchen was zum Lachen, Sir. Um diese öde Vorstadt ein wenig zu beleben.»
«Wir sind nicht amüsiert», brüllte Sir Lancelot sie an.
«Was schreien Sie da herum?» fragte die Oberin, die im Perlenvorhang auftauchte. «Pip, ich möchte noch einen Drink, bitte. Sehr tröstlich, so etwas. Ich stand schon unter starkem Stress, bevor ihr noch alle euer Dinner mit einer Brandbombe zu verwechseln schient. Danke.»
Sie nahm ihm das Glas ab. «Nun kehrt aber lieber zu euren Frauen zurück, die plötzlich von etwas wie Hysterie ergriffen sind. Vielleicht hängt das irgendwie mit den vielen Pollen zusammen. Ich habe sowieso etwas Wichtiges mit Sir Lancelot zu besprechen.»
«Ich habe soeben entdeckt, daß Chipps mit Eva und Bisham mit Dawn verheiratet ist», brach Sir Lancelot los, als Freddie und Pip aufatmend durch den Vorhang verschwunden waren.
«Da haben Sie aber lange gebraucht, um das zu entdecken.» Sie klopfte auf das Sofa. «Kommen Sie, setzen Sie sich, Lancelot.»
«Ich will nirgends sitzen. Fürs erste bin ich viel zu verstört, um Konversation zu machen.»
«Sie müssen
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