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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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namentlich eines stocknüchternen Bisham, zu verbringen, ist unausdenkbar.»
    Fünf Minuten später entzündete Sir Landelot die Gaskerzen und ließ sich allein am Tisch im Patio nieder. Die Oberin hatte ganz recht, überlegte er. Er mußte seine Doktrin der humorvollen Resignation gewissenhafter anwenden in einer Welt, in der das schwächere Geschlecht so willig seine schützenden Hüllen preisgab. Außerdem würde es sich günstig auf seinen Blutdruck auswirken. Er öffnete die Kasserolle mit dem dampfenden Gulasch. Während er geistesabwesend eine Portion auf seinen Teller verfrachtete, schlug er die Morgenausgabe der Times auf und erinnerte sich, daß er die Kricketergebnisse bereits gelesen hatte. Dann wandte er sich wie gewöhnlich Hofnachrichten zu. «Niemand Interessanter ist gestorben», murmelte er. «Montags nie.» ,, Er faltete die Zeitung zusammen, und während er mit der einen Hand langsam Gulasch aß, löste er mit der anderen das Kreuzworträtsel. «Held der griechischen Mythologie», las er und trug mit flinken Zügen P ROMISKEUS in die Kästchen ein.
     

14
     
    Das Bezirksgericht von Spratt’s Bottom und die Polizeistation, die sich mit dem Rathaus in denselben klobigen und schäbigen Ziegelkomplex teilten, befanden sich am oberen Ende der Hauptstraße, in der Nähe des Platzes mit dem Kreisverkehr. Gegenüber erhob sich das Kriegerdenkmal, die Szene des Verbrechens. Sir Lancelot war nicht überrascht, daß sich Zeitungsreporter, Photographen und Fernsehteams vor dem Gebäude herumtrieben. Spratt’s Bottom schien mit Zentralafrika und dem Mittleren Osten um Schlagzeilen in den Zeitungen zu kämpfen. Sir Lancelot ließ den Rolls auf einem Parkplatz stehen und bahnte sich mit gesträubtem Bart eine Bahn durch die versammelte Menge, wobei er sagte: «Kein Kommentar, meine Damen und Herren, kein wie immer gearteter Kommentar.»
    Das Verhandlungszimmer lag hinter einem Vorraum mit senffarbenen Wänden und zwei massiven Bänken, die Rücken an Rücken in der Mitte des pockennarbigen Fußbodens standen. Der einzige Schmuck bestand aus polizeilichen Verlautbarungen, die zur Hilfeleistung bei ungelösten Mordfällen aufriefen. Das erinnerte Sir Lancelot an das Heilige Grab. Er stand in einer Ecke, bedachtsam von der kleinen Gruppe schweigender Männer und Frauen abgesondert, die den Raum mit ihm teilten und, nach ihrem Aussehen zu schließen, die abstoßendsten und abgefeimtesten Verbrechen begangen haben mußten.
    «Spratt, L.?» fragte ein freundlich aussehender Polizeisergeant, der keinen Helm, aber einen Ordner trug.
    Sir Lancelot riß sich zusammen. «Hier», sagte er mit dem mannhaften Blick eines französischen Aristokraten, vor dem sich zum letztenmal knirschend die Tür der Coneiergerie öffnet.
    «Ihr Fall kommt als erster dran, Sir. Alle anderen sind nur Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung.»
    Der Sergeant führte Sir Lancelot durch eine schmale Öffnung in der Ecke. Sie stiegen steinerne Stufen zum Keller hinab. Sir Lancelot bildete sich ein, das Klirren von Handschellen und Fußfesseln zu vernehmen. Sie gelangten in einen kleinen, weißgekalkten Raum mit einem Tisch und einigen Stühlen, der stark nach Desinfektionsmitteln roch.
    «Sie sind ein Arzt, nicht wahr, Sir?» erkundigte sich der Sergeant.
    «Das ist richtig. Ich möchte hinzufugen, daß ich es mir in meiner ärztlichen Laufbahn niemals hätte träumen lassen, in eine solche Lage zu geraten.»
    «Würden Sie sich vielleicht freundlicherweise mein Knie ansehen?» Der Sergeant zog das eine Hosenbein seiner Uniform hinauf. «Hab mir’s am vergangenen Sonntag schlimm verstaucht, als ich die Bohnenstöcke in meinem Garten befestigen wollte. Paßt mir ausgezeichnet, daß Sie heute bei uns sind. Man muß eine solche Ewigkeit drunten beim Arzt warten, bis man drankommt.»
    Sir Lancelot wies zum Tisch. «Dort hinauf. Beide Hosenbeine hinaufziehen, bitte.» Er befühlte die Knie. «Hm. Keine Flüssigkeit. Ruhen Sie sich nach Möglichkeit aus. Sollte in ein bis zwei Wochen besser sein.»
    «Sehr freundlich von Ihnen, Sir», sagte der Sergeant und stieg wieder vom Tisch.
    «Guten Morgen, Sir Lancelot.» Ein munterer Polizist mit aufgerollten Hemdsärmeln und einem weiteren Ordner betrat den Raum. «Kennen Sie mich noch vom Heiligen Grab her?»
    «Ja. Hämorrhoidenvorfall.»
    «Stimmt, Sir. Sie haben mir kolossal geholfen.» Er lachte. «Na, heute stehen Sie unter meiner Aufsicht.»
    «Eben ist mir eingefallen, Wachtmeister, daß diese

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