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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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anschauen, dann bin ich schneller ab als ein Hurenhöschen.»
    Während der Dean die Wandelhalle auf dem Weg zur Kanzlei der Oberin durchquerte, lagen seine Brauen so flach wie ein Paar haariger Raupen, die eine australische Fliegenklappe getroffen hat. Er fand es so erbitternd, als stolzer Engländer die herrischen Befehle unbelehrbarer Kolonisten ausführen zu müssen. Schlimmer noch, er konnte sie kaum verstehen. Waren die Australier am Ende eine Nation naturhafter, wenn auch verwirrender Dichter?
    Den Vormittag hatten die drei in der Balaclava Road, jenseits des Bahnhofs von Spratt’s Bottom, verbracht. Dort hatte Hamilton Toskers Vater das Licht der Welt erblickt und seinen harmlosen und nützlichen Handel getätigt, bevor er nach Neu-Süd-Wales auswanderte, auf Grund einer im Wirtshaus aufgeschnappten irrtümlichen Aussage, daß einer, der sich nicht zu bücken scheue, dort Goldnuggets auflesen könne. Die Straße bestand aus einer Reihe einzelnstehender Gemeindehäuser, deren Bewohner teils argwöhnisch, teils verwirrt auf Hamiltons temperamentvolle Fragen nach ihrer Verwandtschaft antworteten, Fragen, deren Tonfall an die donnernde Brandung am Bondi-Strand gemahnten.
    Schließlich erinnerte sich eine weißhaarige Dame in Pantoffeln, die vor Staunen über den Rolls nähergetreten war, an einen Mr. und eine Mrs. Tosker. Sie hatten im Eckhaus gewohnt, achtbare Leute, Mr. Tosker hatte bei einem Prozeß für die Gemeinde gearbeitet. Sie hatten sich der besseren Luft wegen nach Littlehampton zurückgezogen, aber ihre Tochter war Krankenschwester im Hospital geworden.
    Hamilton Tosker wurde aufgeregt. Er erinnerte sich an seinen Vetter Jack, den Trottel, der sich zu Schreibarbeiten im Rathaus hergegeben hatte. Er hatte ihm einmal zu Weihnachten ein Foto seiner Kleinen geschickt, eine richtige Schönheit war sie.
    «Wie gut sich das fügt», hatte der Dean gesagt, erleichtert über die Aussicht, bald in die City und zu seiner eigenen Machtsphäre zurückkehren zu können. «Mein Einfluß im Heiligen Grab ist selbstverständlich beträchtlich, um nicht zu sagen überwältigend.»
    Der Dean kam mit der Oberin durch die Wandelhalle zurück. Er machte sie mit Hamilton und Pearl bekannt und fragte sie sodann: «Sie haben doch eine Schwester Tosker auf der Station?»
    «Gewiß. Elaine Tosker. Sie arbeitet in der Unfallstation.»
    «Mr. Tosker möchte sie gerne sprechen.»
    «Kommt nicht in Frage.» Infolge unterdrückter Leidenschaft und eines Katers war die Oberin nicht zu Kompromissen bereit. «Sie müssen warten, bis sie dienstfrei ist.»
    «Aber sie ist eine entfernte Verwandte Mr. Toskers», rief der Dean flehend.
    «Es gibt eine Menge hier im Hospital angestellter Leute, die sich einbilden, mir Befehle geben zu können. Aber ich sehe wirklich keinen Grund, dazu auch Außenstehende zu ermuntern.»
    Hamilton fixierte den Dean mit einem Auge, das einer Auster in der Watson’s Bay bei eisigem Sturm glich. «Jetzt hör mal, du verstopfter
    Pinkler, entweder lern ich mein Töchterchen kennen, oder du nimmst deine dreckigen Pfoten aus meiner Organisation heraus.»
    «Hamilton!» rief seine Frau mahnend. «Hör auf, dich wie ein Wulu-mulu-Rowdy zu benehmen!»
    «Und du», gab er ebenso geographisch-sarkastisch zurück, «hör auf, dich wie die Yarra-Park-Spritzbrigade zu benehmen.»
    «Ich bin überzeugt, das läßt sich ganz leicht arrangieren», sagte der Dean mit nervös hüpfenden Augenbrauen. Er zog die Oberin beiseite. «Helfen Sie mir bitte», flehte er sie leise, aber dringend an. «Meine ganze Existenz hängt von diesem Menschen ab. Als Australier hat er ein goldenes Herz, wenn er auch zu Launenhaftigkeit und einer schauerlichen Ausdrucksweise neigt.»
    Die Oberin überlegte kurz. «Sagen Sie mir — wo wird Sir Lancelot heute abend sein?»
    «Zu Hause», antwortete der Dean prompt. «Wir nehmen am jährlichen Dinner des Rugby-Clubs vom St.-Swithin teil. Ich stelle mir vor, daß er gegen elf in der Lazar Row sein wird.»
    Die Oberin nickte. «Vielleicht kann ich eine Ausnahme machen. Schließlich ist Mr. Tosker kein Fremdling für das Hospital. Wenn der Volksgesundheitsdienst weiter auf mir herumtrampelt, könnte ich von selbst gehen und meine Dienste den arabischen Scheichs zukommen lassen, wenn das auch zur Folge hat, daß ich keinen Schwips mehr haben darf und Schleier tragen muß.»
    Die drei folgten der Oberin durch den düsteren, dumpfen Hauptkorridor zur Unfallabteilung. «Das soll ein Krankenhaus sein!»

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