Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
gut durchmodulierte Stimme, die Sir Lancelot an eine Primadonna erinnerte, deren Kehlkopf er einst behandelt hatte. Er starrte so trotzig um sich wie Adolf Hitler bei der Anklage wegen Hochverrats nach dem Marsch zur Feldherrnhalle in München. Zwischen Sir Lancelot und dem Richtersitz, nur etwas niedriger, befand sich ein Halbdutzend betstuhlartiger Sitze, auf denen zwei Männer und eine dicke Frau in einem schwarzen Kleid saßen und maschinengeschriebene Akten lasen. Zu seiner Rechten hielten sich die Zeitungsberichterstatter auf, die ihm recht jugendlich vorkamen. Zu seiner Linken hockten zwei Dutzend unbehelmte Polizisten auf langen Bänken, die auf ihre Aussagen warteten, statt sich der soeben in Spratt’s Bottom verübten Verbrechen anzunehmen. Sir Lancelot fiel die Mannigfaltigkeit der Socken auf, die unter ihren Uniformhosen zu sehen waren. Niemand außer den kritzelnden Reportern schien sich im mindesten um ihn zu kümmern.
    «Nein, diesmal ging er nicht soweit, sich auf den Boden zu legen, Euer Ehren.»
    Mrs. Widmore heftete zwei große, braune, strenge Augen auf Sir Lancelot. «Ich wollte diesen Punkt klären, weil dies eine unter Demonstranten beliebte Taktik ist.»
    «Der Beklagte setzte hierauf zu seiner Ansprache an die Öffentlichkeit an, während welcher er mir mit mehreren Blatt Papier ins Gesicht schlug. Ich nahm ihn hierauf in Gewahrsam.»
    «Machte er noch weitere Schwierigkeiten?»
    «Nein, Euer Ehren.»
    Ihr kritischer Blick wandte sich wiederum Sir Lancelot zu. «Haben Sie noch irgendwelche Fragen an den Zeugen zu richten?»
    «Nein, keine.»
    «Sie erklären sich also mit seiner Darstellung der Ereignisse für einverstanden?»
    «Mit den Ereignissen, ja. Nicht aber mit ihrer Darstellung.»
    Sie machte sich mit einigen Papieren zu schaffen. «Diese Spitzfindigkeit will ich nicht gehört haben.» Sie nickte. Der Sergeant verließ den Zeugenstand. «Ich will berücksichtigen, Spratt, daß Sie nicht vorbestraft sind —»
    «Ich möchte nichts verheimlichen. Ich habe ein schweres Verbrechen begangen.» Mrs. Widmore sah ihn erschreckt an. «Ich stahl einmal ein Pferd. Vor etlichen Jahren, in Cambridge. Ich wurde zur Zahlung von fünf Pfund verurteilt.»
    Sie hob ihre hübschen Schultern. «Ich glaube, das Gericht kann über eine betrunkene Eskapade als Folge eines Fußballmatches hinwegsehen.»
    Er korrigierte sie streng: «Als Folge einer mit Auszeichnung bestandenen Abschlußprüfung in Naturwissenschaften.»
    «Das ist unwesentlich.»
    «Das ist keineswegs unwesentlich», bellte Sir Lancelot. «Das eine ist eine in Gedankenlosigkeit begangene Tat. Das andere eine akademische Großtat, die zweifellos die Fähigkeiten jedes hier Anwesenden übersteigt.»
    «Würden Sie gefälligst schweigen?» fragte sie kalt. «Muß ich Sie daran erinnern, daß ich hier den Vorsitz führe?»
    «Dann könnten Sie versuchen, das Verfahren hier mehr einem Gerichtshof anzupassen. Wenn ich in meinem OP so wahllos drauflos arbeitete, wäre der ganze Weg vom Heiligen Grab bis zu diesem verdammten Kreisverkehr des Sergeanten mit Leichen übersät. Sein Tatsachenbericht war so verdreht wie das Holz, das man durch Fleischstückchen spießt. Er versuchte mich als einen Schläger hinzustellen, was einer regelrechten Verleumdung gleichkommt.»
    «Was Sie tun, kommt einer regelrechten Mißachtung des Gerichts gleich», wies sie ihn streng zurecht. «Ich will es trotzdem übersehen. Dieses eine Mal. Ich forderte Sie auf, dem Sergeanten Fragen zu stellen. Wenn Sie es vorzogen, daraufhin zu schweigen, kann das Gericht daraus nur seine eigenen Schlüsse ziehen. Aber ich möchte gerne genau wissen, aus welchem Grund Sie den Sergeanten tätlich angegriffen haben.»
    Sir Lancelot beruhigte sich. «Wir waren abweichender Meinung darüber, ob John Dewey oder William James der Begründer der Philosophie des Pragmatismus war.»
    «Verschwenden Sie bitte nicht die Zeit des Gerichts», sagte sie scharf. «Sie schlugen einem Polizeisergeanten ins Gesicht —»
    «Ja. Aber ganz gewiß nicht mit einem Schlagring.»
    «Wenn Sie mich ständig unterbrechen, werde ich Sie zu den Zellen hinunterbringen lassen und inzwischen die übrigen Fälle erledigen», sagte sie so spröde wie ein spitzer Eiszapfen. «Alle tätlichen Angriffe auf die Polizei, mögen sie auch noch so schwächlich ausgeführt werden, nimmt das Gericht sehr ernst. Was heute vielleicht ein zusammengerolltes Blatt Papier ist, wird morgen nur allzuleicht zu einem Ziegelbrocken.

Weitere Kostenlose Bücher