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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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wiederholte Hamilton angeekelt. «Da kommt einen das Kotzen an.»
    Schwester Tosker erschien nervös auf der Eingangsschwelle der Unfallabteilung. Sie war von der Oberin aufgerufen worden. Der Kopf schwirrte ihr von zahllosen Möglichkeiten peinlicher Verstöße.
    «Das ist mein Mädel», rief Hamilton, dessen Laune plötzlich so hell war wie das Wasser von Port Jackson an einem Januarmorgen. «Hat sich nicht verändert, seit ich ihr Foto bekommen hab, nur einen schönen Balkon hat sie sich zugelegt. Ich bin dein Onkel Hamilton, Dari. Gib uns einen dicken Kuß.»
    Sie rang nach Luft. «Onkel Hamilton? Den Vati immer den Henry Ford im Schafsladen genannt hat?»
    «Ja, ich bin der Leithammel», sagte er strahlend. «Aber jetzt, schätze ich, hab ich noch ein paar andre Eisen im Feuer.» Er umarmte sie schwungvoll. «Meiner Seel, du bist zum Anbeißen süß.»
    «Oh, danke.» Sie sah ein bißchen betreten aus. «Du bist ganz anders, als ich dich mir vorstellte, Onkel.»
    «Oh?» Sein Auge wurde starr, als wäre die Auster in Essig getaucht worden.
    «Ich meine nur, du bist nicht so, wie ich mir Millionäre vorgestellt hab. Umgeben von einer Schar bewaffneter Leibwächter und mit dunkler Brille. Du machst den Eindruck, ein ganz gewöhnlicher Mensch zu sein.»
    «Mein Püppchen!» Er grinste wieder. «Du hast ganz recht, ich bin ein ganz gewöhnlicher Kerl, der an Samstagnachmittagen bei ein paar Humpen Bier gern ein Spielchen macht, bevor er heimgeht und sich über seinen Tee mit Steak und Eiern hermacht. Da ist nichts von einer verdammten Klasse an mir, was, Kumpel?» fragte er den Dean.
    «Gewiß nicht», beeilte sich der Dean zu versichern. «Du bist das lebende Beispiel des großen australischen Ideals, daß jeder Mensch sich für ebenso gut wie den Nächsten hält.»
    «Das große australische Ideal besteht darin, daß jeder Mensch sich für doppelt so gut wie den Nächsten hält», korrigierte ihn Hamilton. «Und was hältst du von Australien?» fragte er Schwester Tosker.
    «Ich...ich glaube, es ist ein schönes Land.»
    «Es ist nicht ein schönes Land. Es ist ein verdammt schönes Land. Gummibäume, das Kreuz des Südens, und überall leere Bierdosen, so dicht gesät wie Gänseblümchen. Ein Land für Männer. Oder es würde es sein», fuhr er großzügig fort, «wenn wir alle diese wombatköpfigen, elsterbeinigen, plattfüßigen, beschissen kommunistischen Bastarde ausrotten würden, die auf ihren fetten Ärschen in Canberra sitzen.»
    «Zieh nicht die Regierung in den Dreck», sagte Pearl streng.
    «Und du hör auf, dich wie ein beschissener Polyp zu benehmen. Ich kenn auf der ganzen Welt keinen Politiker, der sich nicht hinter einem Korkenzieher verstecken könnte», vertraute er Schwester Tosker an. «Komm zu uns und bleib bei uns, gleich hinter der Brücke zur nördlichen Vorstadt», lud er sie ein.
    «Aber das ist nicht möglich, Onkel.»
    «Was hast du?» fragte er kurz. «Ist dir unser Land nicht gut genug? Dort leben nicht nur Ureinwohner und Känguruhs und Schnabeltiere, weißt du. Jetzt ist unser Opernhaus eröffnet worden», sagte er voll Stolz.
    «Ach nein, Onkel, es wäre bestimmt der Himmel auf Erden. Aber meine Laufbahn liegt vor mir.» Sie blickte die Oberin scheu an. «Ich möchte als Krankenschwester weiterarbeiten. Hier im Heiligen-Grab- Hospital. Weil ich glaube, daß ich hier am meisten benötigt werde.»;
    «Was für ein Darl!» rief Hamilton voll Wärme. «Würdest du unter diesen Scheißkerlen in Canberra je eine solche Aufopferung finden, Pearl?» Er pflanzte sich eindrucksvoll auf seinen Säbelbeinen auf. «Ich hab eine Idee. Was würdest du zu einem eigenen Hospital sagen?» Schwester Tosker blickte ihn erschrocken an. «Lionel —»
    «Ja, Hamilton?»
    «Du weißt, als was für einen Kerl mich die Leute einschätzen?»
    «Gewiß, Hamilton. Gerade wie ein Billardqueue, durchsichtig wie ein Bierglas und so offen wie ein Wirtshaus zur Lunchzeit», zitierte der Dean pflichtbewußt.
    «Wenn mir ein Bursch oder ein Mädel gefällt, dann ist mir nichts zu gut für sie. Erinner’ dich, was du mir gesagt hast, Lionel — wie sehr du hier in London eins der Krankenhäuser brauchen könntest, die ich auf der ganzen Strecke Rotes Meer—Afghanistan erbauen lasse?» Der Dean nickte. «Na, sollst es haben, Stümper. Hier in Spratt’s Bottom. Gratis wie die verdammte Luft. Die Tosker-Organisation wird’s bauen. Du wirst es führen, Lionel. Und du, Mädel, kannst die Schwestern beaufsichtigen.»

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