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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Miene. «Wahrscheinlich absichtlich. Sie hegte keine Sympathie für Robin Hood. Ich glaub sogar, sie litt seinetwegen unter Verfolgungswahn. Sie war auch nicht sehr entgegenkommend mit der Beistellung von Warmwasser und Kochgeräten, und sie schaute im Fernsehen immer die falschen Programme an», enthüllte Miss MacNish bitter. Sie schlug die Augen nieder. «Und die ganze Zeit wußte ich, Sir Lancelot, daß Sie dachten: Kehrst du nicht wieder? Mehr als ich liebt dich keiner, kommst du wirklich nicht wieder zurück? Ich hab das Geschirr gespült, und ich hab Ihre Hemden in die Waschmaschine getan, und ich hab das Porridge für Ihr Frühstück zubereitet.»
    Sir Lancelots Gedanken, die sich bis jetzt wie ein Kreisel bewegt hatten, kamen langsam ins Gleichgewicht. Er mußte wohl erfreut sein, Miss MacNish wieder im Haus zu haben, nachdem doch Robin Hood in den großen himmlischen Speicher voll Vogelfutter entflogen war. Er würde sich jetzt wieder mehr auf seine Patienten als auf Töpfe und Pfannen konzentrieren können. Und seine Rechnungen für neue Hemden hatten ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Doch die Begleitumstände ihres Abgangs konnten ebensowenig übersehen werden wie jene beim Abschied der temperamentvollen Carmen von ihrem verschmähten Korporal Donjosé.
    «Ich habe leider nicht vergessen, daß Sie zu meinem Übernachtungsgast sehr unhöflich waren.»
    Miss MacNish zerknüllte ihr Taschentuch. «Ich habe mich einer Sünde schuldig gemacht. Lieblosigkeit, ja Heuchelei. Ich kann Unzucht nicht verzeihen. Aber, Sir Lancelot, verurteilen Sie mich nicht. Auch ich kann mein Herz gelegentlichen Fehltritten auftun.» Sie rang nach Atem. «Als ich eines Abends unklugerweise die Sauchiehall Street allein hinabwanderte -»
    «Ersparen Sie uns beiden so schmerzliche Erinnerungen.»
    «Gut, Sir Lancelot. Wir leben in einer verderbten Welt, und ich habe beschlossen, künftighin meine Augen vor ihr zu verschließen.»
    «Sie haben sehr recht, einer Seele von solcher Sensivität einen Schutzverband anzulegen.»
    «Ich habe das Nachthemd der Dame auf Ihrem Bett ausgebreitet.»
    «Nachthemd? Was für ein Nachthemd? Was für eine Dame?»
    Ein Blick voll Zimperlichkeit traf ihn. «Das Nachthemd, das hinter der Tür zu meinem Badezimmer hängt. Ihre amerikanische Dame erwähnte es, als sie vor einiger Zeit anrief. Sie sagte, sie würde eher spät kommen, da sie an einem Bankett des Lord Mayor im Mansion House teilnimmt. Da ich erwartete, daß Sie müde sind, können Sie sich bequem in die Kissen lehnen, während Sie auf sie warten.»
    «Meine liebe Miss MacNish! Sie haben das Ganze völlig mißverstanden —»
    «Sie brauchen nicht so stark zu protestieren», versicherte sie mit einem gewinnenden Lächeln. «Ich hätte nicht so lange so sehr in Ihrer Nähe leben können, ohne Sie durch und durch kennenzulernen. Sie sind ein Mann mit gesundem Triebleben. Ich ziehe mich jetzt zurück und überlasse Sie Ihrer Mätresse. Klopfen Sie bitte an meine Tür, wenn sie Kakao trinken will.»
    Miss MacNish erstieg die Treppe. Sir Lancelot blieb in der Diele stehen. Er hörte, wie Miss MacNish die Tür zuschlug, die Riegel vorschob und wie die Kette klirrte. Er folgte ihr langsam bis zu seinem im ersten Stock gelegenen Schlafzimmer, das auf der Gartenseite lag. Das Himmelbett war auf beiden Seiten aufgedeckt. Auf der einen Seite lag sein gestreifter Pyjama, dessen Ärmel fein säuberlich in einer Geste der Kapitulation hochgezogen waren. Auf der anderen lag Amelias vergessenes Nachthemdchen, kurz, durchsichtig, rauchblau. Auf seinem Nachttisch stand eine silberne Schale, vollgestopft mit Rosen, auf seiner Kommode, seinem Regal voll schlaffördernder Bücher, befanden sich Kristallvasen voll Rittersporn und Lupinen. «Wie in einem blöden königlichen Brautgemach», murrte Sir Lancelot.
    Er ergriff das Nachthemd. Während er es zusammenrollte, sah er sich nach irgendeinem Verpackungsmaterial um. Er wollte es Amelia durch die Haustür reichen. Sie brauchte nicht einmal aus dem Taxi zu steigen. Schon hatte er ein paar Seiten aus der Lancet gerissen, als er innehielt. Er senkte seine Nase und beroch das hauchdünne Zeug. Dann straffte er sich.
    «Hm», machte er.
    Er wandte sich zum Spiegel des Toilettentisches. Miss MacNish hatte recht. Er war ein Mann mit gesundem Triebleben. Warum sollten nur junge Kollegen wie Chipps und Bisham das ganze Vergnügen haben? Seine Gedanken erhöhten das Tempo, alle Ampeln vor ihm waren grün. Es gab nur

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