Doktor auf Abwegen
die Vordertür einer Institution benützen, die gegen jede Zugluft und gegen alle Winde der Veränderung geschützt ist. Das Ministerium wird sich aufgeschlossen zeigen, entweder um das Heilige Grab, wie geplant, zu schließen, das neue Angebot als Toskers Lockvogel anzunehmen oder das Heilige Grab offenzuhalten, in pflichtgetreuer Anerkennung des bei unserer Versammlung gefaßten Entschlusses.»
«Ich lege nicht viel Wert auf ein », sagte der Dean. «Diese kleine Schwester hat bei weitem nicht die zündende Persönlichkeit einer Florence Nightingale oder auch nur unserer Oberin.»
«Von mir aus kann er es St.-Mickey-Maus-Hospital nennen, solange das OP-Dach nicht einstürzt. Ich kehre jetzt selbstverständlich meine Werbekampagne ins Gegenteil um. Ich werde das Heilige Grab als Schandfleck in der klinischen Landschaft anprangern, der sofort ausgelöscht werden muß. Nach der Aussage meines Werbeberaters gibt es nichts Leichteres, als dem Publikum weiszumachen, daß schwarz weiß ist, kurz nachdem du ihm gesagt hast, daß es gelb ist.»
«Die erste nach rechts», wies der Dean den Fahrer an, als sie am hellerleuchteten Unfall-Eingang des St.-Swithin vorbeifuhren.
«Die Gedankengänge der Regierung sind im Augenblick, angesichts der drohenden allgemeinen Wahlen, etwas in Unordnung geraten», überlegte Sir Lancelot. «Noch mehr als die Überlegungen eines überaus nervösen Patienten angesichts einer drohenden Operation. Doch sie hat geringere Chancen zu überleben, soviel ich sehe.»
Der Dean sah sehr verschlagen aus, als seine Augenbrauen sich auf den Schwanz stellten und einander küßten. «Ich bin heute vielleicht der mächtigste Mann im Land. Nach der Königin», räumte er galant ein. «Du weißt doch, wie dürftig es um die Majorität der Regierung bestellt ist? Na, alles liegt, meiner Obhut an vertraut, da drin.» Er wies mit dem Daumen auf das Gebäude des St.-Swithin. «Zwei schwere Herzanfälle, eine scheußliche Pankreas und zwei...na, bin noch nicht sicher, was. Im Privattrakt natürlich. Selbst ein noch so sehr für Gleichmacherei
eintretender Abgeordneter sollte nicht vor seinen Wählern auf der Bettschüssel sitzen müssen. Oder vielleicht andersherum», überlegte er. «Das Los des Premiers hängt davon ab, wie weit ich sie alle für die Lobby auf die Beine bringe. Eine fürchterliche Verantwortung. Geradezu erschreckend. Aber es gibt auch gewisse Kompensationen. Was hältst du von Ponder’s End als Name?»
«Klingt, als würde jemand Selbstmord planen.»
«Von dort stammt meine Familie.» Der Dean zwinkerte. «Könnte ganz gut mein Name werden nach der nächsten Ehrentitelliste. Lebenslängliche Pairswürde, weißt du. Würde meiner Frau riesig behagen. Dann würde sie The Lady sein, statt einer gewöhnlichen Lady. Was für einen Unterschied ein bestimmter Artikel ausmachen kann! So, da sind wir, Lancelot. Verzeih mir, wenn ich dich heute nicht auf einen Schlummertrunk einlade. Da ist noch ein Berg von Krankengeschichten zu erledigen.»
Der Dean parkte den Rolls und sperrte seine Haustür auf. Sir Lancelot wandte sich der seinen zu. Dann hielt er inne und zerrte an den Enden seines schwarzen Binders. Drinnen schien Licht. Einbrecher? Schon überlegte er, ob er dem Dean folgen und Scotland Yard anrufen sollte, fand aber dann, er hätte genug Polizisten an diesem einen Tag gesehen. Er tastete nach seinem Schlüssel. In der Diele wartete Miss MacNish.
«Sir Lancelot!» Sie schnappte tränenreich nach Luft. «Er ist tot.»
Für einen Augenblick verlor Sir Lancelot die Kontrolle über sein Hirn. «Wer? Hamilton Tosker?»
«Nein.» Sie zog ein säuberlich gefaltetes Taschentuch aus ihrem grünen Overall. «Robin Hood.»
«Das dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben», meinte Sir Lancelot verwundert.
«Mein Sittich.»
«Oh. Ach ja. Tut mir leid.» Sie setzte wieder zum Weinen an. «Ich weiß, wie sehr Sie an ihm hingen», tröstete er sie steif.
«Danke, Sir Lancelot», sagte sie demütig. «Ich hoffte, daß Sie das sagen würden. So typisch für Ihre gütige Natur. Es war ein furchtbarer Schock. Aber ich kam wieder zu Sinnen. Sehen Sie, ich bin heimgekehrt», sagte sie schlicht. «Obzwar: Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier, mein Herz ist im Hochland, Sir Lancelot...doch dies Haus ist Heim mir.»
Sir Lancelot nickte verlegen. «Woran starb er denn?»
«Meine Schwester in Putney mischte Popcorn unter sein Samenfutter», erklärte sie mit tragischer
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