Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke.
sonst stets an alles denkt.
Aber es gab viel zu tun, mit dem Kaffee, und dann mit dem Abendessen.
Und wie geht es Dir sonst und bist Du den trockenen Husten los?
Das macht mir Sorgen mein Kind. Und das darf man nicht hinhängen lassen.
Nächstens schick ich Dir Umlegekragen. Waren die letzten zu groß?
Ja wenn Du zu Hause wärst, dann würden die Kragen schon passen.
Ach, Krauses älteste Tochter hat kürzlich ein Kind gekriegt!
Wer der Vater ist, weiß kein Mensch. Und sie soll es selber nicht wissen.
Ob denn das wirklich bloß an der Gymnasialbildung liegt?
Und schick bald die schmutzige Wäsche. Der letzte Kartong war schrecklich zerrissen.
Mein Kostüm habe ich umfärben lassen. Jetzt ist es marineblau.
Laß Dein Zimmer heizen. Wir machen schon lange Feuer.
Das Fleisch das kaufe ich jetzt bei unsrer Gemüsefrau, da ist es zehn Pfennige billiger. Ich finde es trotzdem noch teuer.
Drei Monate bist Du nun schon nicht zu Hause gewesen.
Läßt es sich wirklich nicht mal und wenns auf zwei Tage ist machen?
Erst vorgestern habe ich eine Berliner Zeitung gelesen.
Fritz sieh Dich bloß vor! Da passieren ja gräßliche Sachen!
Ist das Essen auch gut in dem Restaurant wo Du ißt?
Laß Dir doch abends von Deiner Wirtin zwei Eier auf Butter braten.
Das wird alles anders, wenn Du erst richtig verheiratet bist.
Ich weiß schon, Du hast keine Lust. Das ist schade, da läßt sich nicht raten.
Unser neuer Zimmerherr der hat eine richtige Braut.
Die ist mitunter bei ihm. Sonst bin ich mit ihm ganz zufrieden.
Die Hausmannsfrau hat sie gesehn. Und sagte gestern ganz laut, das wäre nicht immer dieselbe. Ich müßte das endlich verbieten.
Sonst geht es uns allen wenn man das schlechte nicht rechnet famos.
Ich hoffe dasselbe von Dir. Was wollte ich gleich noch sagen?
Das Papier ist zu Ende. Leb wohl! Bei Ehrlichs ist wieder was los.
Ich will nur den Brief noch ganz schnell in den Bahnhofsbriefkasten tragen.
Da fällt mir noch etwas ein. Doch es geht schon gar nicht mehr her.
Kannst Dus auch lesen? Frau Fleischer Stefan traf ich jetzt im Theater.
Was die Erna ist, ihre Tochter. Die liebt Dich längst schon. Und sehr.
Ich find sie recht nett. Na schon gut. Auch viele Grüße von Vater!
Kleine Führung durch die Jugend
Und plötzlich steht man wieder in der Stadt, in der die Eltern wohnen und die Lehrer und andre, die man ganz vergessen hat.
Mit jedem Schritte fällt das Gehen schwerer.
Man sieht die Kirche, wo man sonntags sang.
(Man hat seitdem fast gar nicht mehr gesungen.) Dort sind die Stufen, über die man sprang.
Man blickt hinüber. Es sind andre Jungen.
Der Fleischer Kurzhals lehnt an seinem Haus.
Nun ist er alt. Man winkt ihm wie vor Jahren.
Er nickt zurück. Und sieht verwundert aus.
Man kennt ihn noch. Er ist sich nicht im klaren.
Dann fährt man Straßenbahn und hat viel Zeit.
Der Schaffner ruft die kommenden Stationen.
Es sind Stationen der Vergangenheit!
Man dachte, sie sei tot. Sie blieb hier wohnen.
Dann steigt man aus. Und zögert. Und erschrickt.
Der Wind steht still, und alle Wolken warten.
Man biegt um eine Ecke. Und erblickt
ein schwarzes Haus in einem kahlen Garten.
Das ist die Schule. Hier hat man gewohnt.
Im Schlafsaal brennen immer noch die Lichter.
Im Amselpark schwimmt immer noch der Mond.
Und an die Fenster pressen sich Gesichter.
Das Gitter blieb. Und nun steht man davor.
Und sieht dahinter neue Kinderherden.
Man fürchtet sich. Und legt den Kopf ans Tor.
(Es ist, als ob die Hosen kürzer werden.) Hier floh man einst. Und wird jetzt wieder fliehn.
Was nützt der Mut? Hier wagt man nicht zu retten.
Man geht, denkt an die kleinen Eisenbetten und fährt am besten wieder nach Berlin.
Ein gutes Mädchen träumt
Ihr träumte, sie träfe ihn im Café.
Er läse. Und säße beim Essen.
Und sähe sie an. Und sagte zu ihr:
»Du hast das Buch vergessen!«
Da nickte sie. Und drehte sich um.
Und lächelte verstohlen.
Und trat auf die späte Straße hinaus
und dachte: ich will es holen.
Der Weg war weit. Sie lief und lief.
Und summte ein paar Lieder.
Sie stieg in die Wohnung. Und blieb eine Zeit.
Und schließlich ging sie wieder.
Und als sie das Café betrat,
saß er noch immer beim Essen.
Er sah sie kommen. Und rief ihr zu:
»Du hast das Buch vergessen!«
Da stand sie still und erschrak vor sich.
Und konnte es nicht verstehen.
Dann nickte sie wieder. Und trat vor die Tür, um den Weg noch einmal zu gehen.
Sie war so müde. Und ging. Und
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