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Doktor Faustus

Doktor Faustus

Titel: Doktor Faustus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Mundstück, wie ein göttliches Untier erscheint. Und entsprechend tief, ehrenvoll tief, geht's zwischendurch denn auch hinab, – nicht nur in Leere und Öde und unvermögende Traurigkeit, sondern auch in Schmerzen und Übelkeiten, – vertraute übrigens, die schon immer da waren, die zur Anlage gehören, nur höchst ehrenvoll verstärkt sind sie durch die Illumination und den bewußten Haarbeutel. Das sind Schmerzen, die man für das enorm Genossene mit Vergnügen und Stolz in Kauf nimmt, Schmerzen, die man aus dem Märchen kennt, die Schmerzen, die die kleine Seejungfrau, wie von schneidenden Messern, in ihren schönen Menschenbeinen hatte, als sie sie statt des Schwanzes erworben. Du kennst doch die kleine Seejungfrau von Andersen? Das wäre ein Schätzchen für dich! Es kostet dich ein Wort, und ich führe sie dir zu Bette.‹
    Ich:
›Wenn du schweigen könntest, läppisches Wesen!‹
    Er:
›Nun, nun, nur nicht immer gleich Grobheiten. Immer willst du nur Schweigen haben. Ich bin doch nicht von der Familie Schweigestill. Und übrigens hat dir Mutter Else in aller verständnisvollen Diskretion eine Menge vorgeplaudert von ihren Gelegenheitsgästen. Ich aber bin ganz und gar nicht Schweigens wegen zu dir ins heidnische Ausland gekommen, sondern zur ausdrücklichen Bekräftigung unter vier Augen und zum festen Rezeß über Leistung und Zahlung. Ich sage dir ja, daß wir schon mehr als vier Jahre schweigen, – und dabei ist alles im feinsten, ausgesuchtesten, verheißungsvollen Gange, und ist die Glock schon halb gegossen. Soll ich dir sagen, wie's steht und was los ist?‹
    Ich:
›Es scheint ja, ich muß hören.‹
    Er:
›Möchtest darneben auch gern und bist wohl content, daß du hören kannst. Ich glaube sogar, es tanzert dich gar nicht {338} wenig, zu hören, und tätest greinen und grannen mit dir, wenn ich's dir verhielte. Recht hättest auch. Ist ja so traulich, heimliche Welt, in der wir mitsammen sind du und ich, – sind beide recht zu Hause darin, das reine Kaisersaschern, gut altdeutsche Luft von anno fünfzehnhundert oder so, kurz bevor Dr. Martinus kam, der auf so derbem, herzlichem Fuß mit mir stand und mit der Semmel, nein, mit dem Tintenfaß nach mir warf, längst also vor der dreißigjährigen Lustbarkeit. Erinnere dich nur, wie munter volksbewegt es war bei euch in Deutschlands Mitten, am Rheine und überall, seelenvoll aufgeräumt und krampfig genug, ahndungsreich und beunruhigt, – Wallfahrtsdrang zum Heiligen Blut nach Niklashausen im Tauberthal, Kinderzüge und blutende Hostien, Hungersnot, Bundschuh, Krieg und die Pest zu Köllen, Meteore, Kometen und große Anzeichen, stigmatisierte Nonnen, Kreuze, die auf den Kleidern der Menschen erscheinen, und mit dem wundersam bekreuzten Mädchenhemd als Banner, wollen sie gegen die Türken ziehen. Gute Zeit, verteufelt deutsche Zeit! Wird dir nicht herzlich wohlig zu Sinn beim Gedenken? Da traten die rechten Planeten im Zeichen des Skorpions zusammen, wie Meister Dürer es gar wohlbelehrt gezeichnet hat im medizinischen Flugblatt, da kamen die zarten Kleinen, das Volk der Lebeschräubchen, die lieben Gäste aus Westindien ins deutsche Land, die Geißelschwärmer, – gelt, da horchst du auf? Als ob ich von der ziehenden Büßerzunft, den Flagellanten, redete, die sich für ihre und aller Sünden den Rücken walkten. Ich meine aber die Flagellaten, die untersichtig Winzigen von der Sorte, die Geißeln haben, wie unsre bleiche Venus, die spirochaeta pallida, das ist die rechte Sorte. Hast aber recht, es klingt so traulich nach hohem Mittelalter und nach dem Flagellum haereticorum fascinariorum. O ja, als fascinarii mögen sie sich wohl erweisen, unsere Schwärmer, in besseren Fällen, wie dem deinigen. Sind übrigens recht gesittet und domestiziert schon {339} längst und machen in alten Landen, wo sie soviele Jahrhundert zu Hause sind, nicht mehr so grobe Büffelpossen wie ehedem, mit offener Beul und Pestilentz und abgefallenen Nasen. Kunstmaler Baptist Spengler sieht auch nicht aus, als müßte er, den Leichnam hären vermummt, wo er geht und steht die Warnungsklapper schwingen.‹
    Ich:
›Steht es mit Spengler – so?‹
    Er:
›Wie denn nicht? Es soll wohl mit dir allein so stehen? Ich weiß, du hättest das deine gern ganz apart für dich und ärgerst dich über jeden Vergleich. Mein Lieber, man hat immer eine Menge Genossen! Natürlich ist Spengler ein Esmeraldus. Nicht umsonst blinzelt er immer so unverschämt und listig mit den

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